Seite - 308 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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In dieser Beziehung haben die Bosnier Vieles mit den anderen Slavenstämmen
gemein. Anch bei ihnen ist die Feier des St. Eliastages die Feier des alten Donnergottes,
auch sie verehren die „feurige Maria" UariM), auch sie springen am Vorabend
des St. Johannistages über Feuerbrände wie die Nordslaven und feiern am St. Georgs-
tage das Fest der Jugend und Liebe. Am Tage der Verkündigung, wo die Erdkräfte zu
neuem Leben erwachen, bringen sie dem alten, schlangengestaltigen Erdgeiste Feueropfer
dar (Mistbrände, Schlangenbrände), und die Feier des Weihnachtsabends wird in allen
ihren Details nach uralter Überlieferung begangen.
Wo sich diese Überlieferungen an christliche Feste knüpfen, ist manches von der
ursprünglichen Schärfe verblaßt; wo dieses nicht der Fall ist, da treibt die Phantasie bunte
Blüten und bevölkert die Umgebung des Menschen mit einer Menge bald sichtbarer, bald
unsichtbarer überirdischer Wesen, welche sich das Volk zum eigenen Ich bald in einem
günstigen, bald in einem feindlichen Verhältnisse denkt.
Auch hier kennt das Volk feenhafte Wesen, die Vilas, welche entweder als Wasser-
feen und in diesem Falle sirenenhaft gedacht werden, oder aber als Waldfeen, die ihren
Erwählten freundlich gesinnt sind. Diese Waldfeen — Forske vile — werden auf einem
unbekannten Berge in einem namenlosen Walde auf einem namenlosen Baume durch
die Befruchtung der Blätter dieses Baumes mit dem Morgenthau geboren. Gewöhnlichen
Sterblichen sind sie unsichtbar. Sie vereinigen sich häufig auf Hochebenen, an Kreuzwegen,
wo sie sich mit Sang und Tanz amüsiren. Die Orte dieser Zusammenkünfte sind durch eine
kreisrunde Steinsetzung eingefaßt und heißen vi l insko kolc» (Feenkreis). Sollte ein
Sterblicher diese Stelle Passiren und das unsichtbare Fest der Feen stören, so würden sie
ihn furchtbar strafen, indem sie ihm den Verstand verwirren.
Die Vi las treten aber zu einzelnen Helden der Sage und des Volksliedes in ein
freundschaftliches Verhältnis, sie werden zur Wahlschwester ihres Schützlings, dem sie ans
den Ruf dvAu sestvo!" erscheinen und in der Noth beistehen, den sie vor bevor-
stehenden Gefahren warnen, aufmuntern und trösten. Ja man glaubt sogar, daß sie sich
auch Männern in Liebe hingeben, dann aber für immer verschwinden, indem sie ein Kind
zurücklassen. Namentlich gelten Waldfindlinge als Feenkinder. Die Gunst der Vila erwirbt
sich der Held nur dann, wenn er ihr, ohne zu wissen, daß sie eine Fee sei, einen Dienst
erweist. Dieser Dienst besteht darin, daß er sie, wenn sie sich mit ihren goldigen
Haaren im dichten Gebüsch verfängt, aus der Noth rettet. Man glaubt nämlich, daß
Feen als Hexen, wenn sie bei den Haaren gefaßt werden, ganz hilflos sind. Den
ganzen Sagenkreis, der sich um diese feenhaften Wesen spinnt, charakterisirt ein durchaus
idealer poetischer Hauch, welcher namentlich den Heldenliedern einen besonderen Reiz
verleiht. Viel zahlreicher als diese duftigen Gebilde der Phantasie sind jene Wesen, welche
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch