Seite - 332 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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Gabe, aucb im dichtesten Straßengewirr einen Punkt ausfindig zu machen, von wo aus
sich ein herrlicher Ausblick darbietet, und darnach wird das zu erbauende Haus orientirt.
Vom religiösen Brauche ausgehend, wonach das Weib fremden Blicken entzogen
bleiben mnß, wird das Haus in zwei Theile getheilt; der eine, das Haremlik, dient den
Frauen zum Aufenthalt und ist für jeden Fremden verschlossen, der andere, das
Selamlik, ist die eigentliche Herrenwohnung, wo auch Fremde, nachdem sie am Thore
ihre Ankunft gemeldet und den Frauen hinreichend Zeit gelassen, sich zu verbergen, mit
Wissen des Hausherrn Zutritt haben. In vornehmen Häusern wird diese Zweitheilung
in der Weise durchgeführt, daß ein separates Gebäude an der Straßenfront als Selamlik,
und ein zweites, innen liegendes und vom ersteren durch eine besondere Mauer getrenntes,
als Harem dient. Wo diese weitläufige Anlage nicht durchzuführen war, mußte allerdings
ein Gebäude für beide Theile dienen. In diesem Falle begrenzt eine hohe Mauer die
Straßenseite, wodurch alle Vorgänge, selbst im Hof und Garten, neugierigen Blicken
entzogen werden. Das Haus iu seiner typischen Form bildet einen länglichen Mauerkubus
mit sehr flachem, weit vorkragendem Walmdach, das meist mit Hohlziegeln (eeremit) gedeckt
ist. Das untere, von einer massiven Luftziegelmauer umschlossene Geschoß besitzt nur wenige
Lichtpforten. Durch eine in der Mitte der Langseite angebrachte Thür gelangt man in einen
weiten, die ganze Tiefe des Gebäudes einnehmenden Gang, zu dessen linker und rechter
Seite je zwei Räume, die nur über den Gang eommuuiciren, angeordnet sind. Einer von
diesen Räumen dient als Küche, der größte aber als Magaza.
Diese Magaza ist vollkommen feuersicher gebaut, indem sie vom übrigen Holzwerk des
Hauses isolirt ist, an Thüren und Fenstern Eisenläden besitzt und über der Decke eine mächtige
Estrichschichte von gestampftem und mit Kalk versetztem Lehm hat, die bei Feuersgefahr jeden
Brand aushält. Hier werden alle Schätze, und was bei Ausbruch eiuer Feuersbrunst zu
retten ist, untergebracht und bei Bränden, nachdem Thür und Fenster verschlossen worden,
ihrem Schicksal überlassen. Es kam selten vor, daß sich diese Magaza nicht bewährt hätte.
Das untere Geschoß dient gewöhnlich während des strengen Winters zum Aufenthalt.
Die dicken Wände, die schmalen Fenster und Thüren, die niedere Decke und der aus
topfartigen, in Lehm eingebetteten Kacheln gebildete Ofen wehren der Kälte den Einlaß und
die Familie verbringt hier, wenn auch beengt und in drückender Luft, doch vor Kälte
geschützt, den Winter. Im Frühjahr, wenn die Sonne mit ihren warmen Strahlen zur
Herrschaft gelangt, verläßt die Familie dieses Geschoß und zieht in das obere, dessen fast
ununterbrochene Fensterreihe überall Luft und Licht einläßt. Dieses Stockwerk, zu dem eine
im Hintergrunde des breiten Mittelganges angebrachte schmale, von einer dichten Säulen-
brüstung eingefaßte Treppe führt, ist aus leichtem Riegelwerk gebaut und in der Ein-
theilung durchaus dem unteren ähnlich.
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch