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dem Patheu auf einem Teller die Scheere, und er schneidet damit, wenn er nicht genügend
geschickt ist, den ganzen Kopf zu scheereu, mindestens drei Schöpfe ab und wirft das Haar
in den Teller. Ein Hausgenosse wirft das Haar sodann weg. Nach beendigter Procedur
küßt der Pathe fei« Mündel und beschenkt es. Diese Pathenschaft nennt das Volk die
Schnrpathenschaft (siSano kumslvv). Die Wichtigkeit der Ceremonie erhellt daraus, daß
die Bande der Schnrpathenschaft ebenso heilig sind, wie die der Taufpathenschaft, und ein
Ehehinderniß bilden. Das Volk schreibt der Schnrpathenschaft noch die besondere Kraft
zu, Krankheiten zu bannen. Wird ein Kind schwer krank und bringt kein Mittel Linderung,
so trägt es der Vater vor das Hausthor und bittet den erstbesten Vorübergehenden zum
Schurpathen, ohne Rücksicht auf dessen Religion. Der Fremde folgt der Einladung uud
» vollzieht die Ceremonie, die dem Kinde das Leben retten soll.
Auch der Eintritt der Pubertät wird in einzelnen Volkskreisen nach althergebrachter
Sitte gefeiert. Diese Feier besteht in der Vornahme von Tätowirungen, und diesem
Brauche huldigen ausschließlich nur Katholiken. Nach der gegenwärtigen Volksauffassung
gilt die Tätowirung als äußeres Zeichen der Zugehörigkeit zur römischen Kirche, und die
Tätowirungen selbst heißen „Krenzchen" (kriöevi), da sie aus kleinen kreuzartigen Orna-
menten gebildet sind. Man ist im Volke der Meinung, daß eine Tätowirung unverwischbar
ist und selbst wenn man sie ausschneidet doch wieder zum Vorscheiu kommt. Da aber die
mohammedanischen Beherrscher des Landes das Kreuzeszeichen perhorrescirten, so bildete
die Tätowirung ein Hinderniß oder erschwerte es, daß Mohammedaner Katholikinnen zu
Frauen nahmen, oder daß Katholiken zum Islam übertraten, denn die durch Tätowirung
Gezeichneten konnten ihre väterliche Religion nicht verleugnen.
So meinte das Volk, daß die Entstehung der Tätowirung auf die katholische
Geistlichkeit zurückzuführen sei, welche dadurch ihren Gläubigen den Abfall von der
Religion erschweren wollte. Allein Mehreres spricht gegen diese Annahme und weist auf
einen viel älteren Ursprung hin; zunächst der Umstand, daß die Geistlichkeit dem Brauche
ganz ferne steht und mitunter dagegen eifert, vor Allem aber, daß unter den ornamentalen
Motiven außer dem Kreuze, christliche, namentlich katholische Symbole fehlen. Wohl
kommen in der Umgebung einiger Klöster Monogramme Christi vor, aber ihr Ursprung
läßt sich in sehr junge Zeit verlegen.
Die Procedur des Tätowirens lassen sowohl Knaben als Mädchen über sich ergehen,
und zwar wird damit im Alter von 12 bis 16 Jahren begonnen, also in jenem Stadium,
wo die Pubertät gewöhnlich eintritt.
Das Tätowiren wird stets im Frühling, „wenn die Bäume blühen", vorgenommen,
und das Volk gibt als die geeigneten Tage den Palmsonntag und die Charwoche
an; aber in den meisten Fällen wurde sie am St. Jofephi-Tage, also am Vorabend
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch