Seite - 348 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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Wahlbruderschaft oder auch Wahlschwesterschaft durch Blut besiegelt. Beide Theile, die
sich zu verbrüdern gedenken, ritzen sich den Oberarm auf, damit Blut hervorquillt, lasseu
das Blut in ein Wein- oder Wasserglas tropfen, wo es sich mischt, und trinken, indem
sie den Schwnr der Brudertreue leisten, jeder etwas davon. Vereinfacht wird die Procedur,
indem sie sich gegenseitig einen Tropfen Blut aus der Ritzwunde aussaugen. Häufig wurde
der Verbrüderungsact in der Kirche gefeiert, wobei der Eid in die Hände des Geistlichen
abgelegt wurde, wie dies einige in alten Gebetbüchern erhaltene Schwurformeln beweisen.
Das Verhältniß der Verbrüderten ist ein solches, daß die Beiden die Pflicht haben,
einander in Freud und Leid zu unterstützen; sie müssen, und koste es das Leben, für ein-
ander eintreten. Auch diese Wahlverwandtschaft bildet ein Ehehinderniß.
In Bosnien sind solche Wahlverwandtschaften in allen Volkskreisen und selbst
zwischen Verschiedengläubigen gebräuchlich. Es kommen aber auch Verbrüderungen
zwischen Burschen und Mädchen vor, was besonders dann der Fall ist, wenn sie aus
irgend einem Grunde gezwungen sind, ihrer Liebe zu entsagen.
Wie tief die Anschauungen über das Verbrüderungsverhältniß in der Volksseele
wurzeln, geht daraus hervor, daß es eine besondere Art des Pobratimstvo, das
,?c>bratimstvc> u snu" (Verbrüderung im Traume) gibt. Träumt nämlich Jemandem,
daß er sich verbrüdert habe, so theilt er dem Betreffenden seinen Traum mit, und dieser
Traum allein gilt soviel wie eine factisch abgeschlossene Verbrüderung.
Diese Anschauung findet sich besonders bei den Mohammedanerinnen. Träumt einer
Frau, es habe jemand getrachtet, ihr Gewalt anznthnn, nnd sie habe in ihrer Angst einen
Bekannten mit dem Rufe ,pc> bvFu bra te pc>mc»?i" zur Hilfe gerufen, so betrachtet
sie sich als die oses t r ima (Wahlschwester) des zur Hilfe Gerufenen. Sie wird Morgens
den Traum ihrem Manne mittheilen, welcher dann die Giltigkeit der „Verbrüderung im
Traume" anzuerkennen hat. In diesem Falle gilt der Pobratim als Verwandter, vor dem
sich die Frau nicht verhüllen darf.
Das durch das Pobratimstvo geschaffene verwandtschaftliche Verhältniß wird auch
auf die nächsten Verwandten der beiden Theile übertragen, und der Vater des Wahl-
bruders heißt pooeim (Halbvater), die Mutter (Halbmutter).
Liebeszauber. — Das Dasein des bosnischen Landmädchens fließt unter viel
Arbeit und wenig Erholung ziemlich monoton dahin. Schon in frühester Jugend werden
auch die Mädchen herangezogen, um, was ihre schwachen Kräfte leisten können, zum
gemeinsamen Haushalt beizutragen. Erst werden sie Hirtinnen und hüten Schafe und
Ziegen, dann werden sie zur häuslichen Arbeit herangezogen und müssen beim Waschen,
Kochen, Scheuern u. s. w. den Weibern helfen. Stricken und Spinnen füllt die übrige Zeit
des Tages aus.
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch