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Frauen, sondern bezahlte Sklavinnen, für die kein Gebot des Verschleierns bestehe. Die
Kaufsumme wird nicht etwa der Braut zur Aussteuer gegeben, sondern bleibt Eigenthum
des Brautvaters.
Nachdem das Kaufgeschäft abgeschlossen, wird die Braut feierlich den Hochzeitern
(Svawvi) übergeben, sie küßt ihnen der Reihe nach die Hand und verabschiedet sich von
ihren Angehörigen, während sie von Vater und Mutter den Segen empfängt.
Die Djevers und der Caus besorgen indessen das Verladen der in zwei Truhen
untergebrachten Braut-Aussteuer, welche aus Kleidungsstücken und Bettzeug besteht; die
Braut wird aufs Pferd gehoben, und der Zug setzt sich in Bewegung.
Während der Zug beim Herankommen stets einen solchen Weg wählt, daß er von
Osten nach Westen zum Brauthause kommt, nimmt er beim Aufbruch die Richtung gegen
Osten, um erst nach einer Weile die Richtung nach der neuen Heimat der Braut einzuschlagen.
Der Brautzug wird uiemals Nachmittags, sondern stets Vormittags, so lange die Sonne
steigt und der Tag zunimmt, aufbrechen, was von Bedeutung für das künftige Glück der
Braut sein soll. An derselben Stelle wie Tags vorher, wird unterwegs Rast gehalten und
ein Imbiß eingenommen, dann geht es wieder in froher Lustigkeit unter Scherz, Necken
und Gewehrgeknatter weiter.
Beim Hause des Bräutigams angelangt, steigt die Braut vom Pferde; einer der
Männer springt in den Sattel und reitet dreimal in der Richtung von Ost nach West um
das Haus. Demüthig nähert sich indessen die Braut der Schwelle ihres neuen Heims, sinkt
davor nieder und küßt sie. Au der Schwelle erwarten sie die Frauen des Hauses mit einer
Schale Kornfrucht. Die Braut nimmt davon eine Handvoll und streut sie auf das Dach und
nach den vier Richtungen der Windrose. Sodann betritt sie das Haus, kniet abermals
nieder und küßt den Herd als das Symbol des Familienlebens. In einigen Gegenden ist
es Sitte, daß sie vor diesem Kusse den Herd dreimal umkreist und die Glut darauf anfacht.
Tags daranf nimmt der geladene Priester die kirchlichen Ceremonien vor, traut das
Brautpaar nach den Satzungen der Kirche, und es folgt ein fröhliches Zechgelage, dessen
stumme Zeugin die bescheiden in der Ecke stehende Braut ist. Bei der nun folgenden Reihe
von Trinksprüchen ist es ihre Pflicht, Jedem, dem zugetrunken wird, die Hand zu küssen.
Nach aufgehobener Mahlzeit steht die Braut mit Waschbecken (le^en) und Idrik (Krug)
bereit, um den Gästen Wasser auf die Hände zu gießen, welche ihr für diesen Dienst ein
Geldstück, die ?ol.jevaeina, in das Becken werfen. Beim Abschiede der Gäste gibt schließlich
die Braut mit einem Djever jedem Einzelnen das Geleite, wobei wieder Geschenke aus-
getauscht werden.
Was ein Honigmonat sei, ist der bosnischen Braut unbekannt, denn für sie beginnt
nach der Hochzeit ein schweres Probejahr. Ein Jahr hindurch muß sie die Bescheidenheit,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch