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unter vier Augen zu wechseln. Erst nach Ablauf des Brautjahres tritt die Jungvermählte
in die Rechte der Frau, sie legt die Hochzeitskappe ab und bekommt vom Starjesina ihre
Arbeit zugetheilt.
Als die wichtigste Aufgabe der Frau gilt in Bosnien das Gebären von Kindern,
und zwar von männlichen Kindern, und wehe jener, der es versagt wäre, dieser Pflicht
nachzukommen. Um in dieser Beziehung glücklich zu sein, wird neben den geschilderten
Hochzeitssitten noch manchen Bräuchen gehuldigt. So wird der Djever, nachdem er der
Braut den Ring an den Finger gab, sie mit einem männlichen Gürtel umgürten, damit
sie Knaben gebäre. Wenn die Braut das Mauueshaus betritt, lispelt sie: »koliko ti u ku<!i
rvFvvu, onvlik«? ti rviZila gmova." (Wie viel Sparreu im Hause, so viel Söhne soll ich dir
gebären!) Und bei der Trauung blickt das junge Weib den Mann an und betet im Stillen:
,XoIiko ti u Flavi ?udovii, onoliko ti ro«kila sinovu." (So viel Zähne dn im Kopfe
hast, so viel Söhne soll ich dir gebären.) Beim Heimführen der Braut werde» die Hochzeiter,
wenn ihueu belastete Tragthiere begegnen, eines davon anhalten und es abladen oder
doch den Gurt, womit die Last gebnnden ist, lockern, damit die Braut nicht unfruchtbar
bleibe. (,Krems" heißt die Last, aber auch die Leibesfrucht. Das Ganze deutet das
Entbinden an.) Ist die Braut aus gutem Hause, so wird sie sich nach dem Abschied nochmals
nach ihrer Heimat wenden, damit ihre Kinder ihrer Sippe nachgerathen; ist sie aber dunkler
Herkunft, so werden es die Djevers peinlich verhüten, daß sie sich umschaue, damit ihre
Nachkommenschaft nicht übel gerathe.
Die Hochzeitsbräuche der mohammedanischen Landbevölkeruug sind, soweit es
nicht die religiösen Momente bedingen, im Allgemeinen ähnlich den christlichen, und wir
köuuen uns darauf beschränken, einige Abweichungen mitzutheilen.
Interessant ist der einst auch bei Christen, gegenwärtig aber nur unter den Moham-
medanern übliche Brautraub. Ist das Liebespaar nämlich nicht sicher, die Einwilligung
des Vaters der Braut zur Hochzeit zu erhalten oder will man die übergroßen Kosten einer
Hochzeit ersparen, so verabreden die jungen Leute die Stunde des Raubes. Der Bursche
erscheint mit seinen Hochzeitern an der verabredeten Stelle, wo ihn die Braut erwartet,
nimmt sie zu sich in den Sattel, worauf der Zug in gestrecktem Galopp der Heimat des
Bräntigams zusprengt. Oft geschah es, daß die Flucht rasch bemerkt wurde, dann bot der
Vater alle seine Leute auf, um den Raub den Räubern abzujagen.
In Bosnien gibt es einige alte Gräberfelder, welche das Volk „Svatovsko
Ai-odl^e« (Hochzeitsgrab) nennt, und von denen die Sage geht, daß hier Hochzeiter mit
der geraubten Braut eingeholt und von den Verfolgern niedergemetzelt wurden.
Geschah es, daß die Brauträuber eingeholt wurden, und man wollte Blutvergießen
vermeiden, so gingen die Verfolger und die Verfolgten zum nächsten Kadi. Dieser fragte
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch