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es der Vater zurück und die Entführer mußten schwere Buße zahlen. Ob der Entführer
die Braut mit oder ohne deren Einwilligung geraubt, so wurde er durch die bloße That
ein romantischer Held, und Niemandem fällt es ein, sich darüber entrüstet zu zeigen; wehe
aber dem Entführer, der eine fremde Braut raubt! Nach dem Gerechtigkeitsgefühl des
Volkes ist dies das ärgste aller Verbrechen. Der Vater würde den eigenen Sohn, der so
etwas thäte, verstoßen und fluchbeladen iu die Welt schicken; jeder ehrlich denkende Mann
würde seine Gesellschaft meiden, und der beleidigte Bräutigam gäbe sich erst dann zufrieden,
wenn er die ihm angethane Schmach mit Blut abgewaschen. Solche Fälle sind wohl selten,
werden aber mit ihren tragischen Folgeu hie und da aus der Hereegoviua berichtet.
Die geraubte oder dem Bräutigam auf civilem Wege zugeführte Braut bleibt in
dessen Wohnung unter der Obhut der Schwiegermutter bis zum Tage der Trauung. Wird
die Brant dem Bräutigam aus einem Ort in einen anderen zugeführt, so begleitet sie eine
Verwandte, die einige Zeit bei ihr bleibt, bis sie sich an das neue Heim gewöhnt. Diese
Begleiterin heißt »Okikusa/ (etwa die Angewöhueriu). In der Zwischenzeit besorgt der
Bräutigam die Brautkleider, namentlich aber die reichgestickte lange Anterija.
An einem Mittwoch beginnt die Hochzeitsfeier. Nach dem rituellen Brauch erfolgt
sie in der Weise, daß vier Verwandte oder Freunde des Bräutigams, und zwar für beide
Theile je ein Zeuge (sckaluä) und ein Übergeber (ckavae) nnd Übernehmer (u?imae),
vor der Braut erscheinen und sie befragen, ob sie Willens sei, N. N, Sohn des N. N. u. s. w.,
zu ehelichen. Nach dreimaligem Fragen antwortet die Braut, worauf sie mit ,^Ilali
mudsrek vlsun!" beglückwünscht wird.
Die Zeugeu begebe» sich nnn zum Kadi, theilen ihm unter Vorweisnng der behörd-
lichen Traulicenz der Braut (Aieali murasela) deu Sachverhalt mit, worauf sie einen
Trauschein erhalten. Nach der Volkssitte folgt hierauf die Ceremonie des Fürbens der
Fingernägel mit Kna (kennak). Die Brant wird mit ausgebreiteten Händen aufs Bett
gelegt, erhält in jede Hand einen Ducateu, worauf die zur (Färberin)
erkorene Frau das Färben besorgt. Wenn die Brant aufsteht, nimmt sie einen Knaben und
wälzt ihn über das Bett, damit auch ihr Knaben beschert werden, und gibt ihm ein
Geschenk. Hierauf erscheint der Djever, bedeckt sie mit dem Brautschleier (äuvak oder
eatki^a) und bestreut sie mit Zuckerwerk; sodann überreicht er ihr seine Hochzeits-
geschenke, welche aus dem genannten Schleier, einem Feß, einem Gürtel und aus einem Paar
l'rluke (Pantoffeln) bestehen, und für welche er einzeln je ein Gegengeschenk empfängt.
Der Donnerstag geht ohne besondere Ceremonie vorüber und am Vorabend des
Freitags (»u oei petka") wird große Lvkra (Mahl) bereitet. Der Bräutigam geht zur
5atsi^'a (zwei Stunden nach Sonnenuntergang) in die Moschee, betet und wird unter Jubel
und Scherz von seinen Freunden nach Hause uud vor das Brautgemach geführt. Tags
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch