Seite - 368 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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den Todten eine Reihe schützender Platten geschichtet, damit ihm die Erde nicht schwer
werde. In einigen Gegenden wird der Todte auf die bloße Erde gelagert, über ihn aus
Steinplatten oder Brettern ein kleines Zelt gebildet, welches mit Erde und Rasen ver-
kleidet wird. Ist dies vollendet, so rufen die Trauernden und Gäste dem Todten ein letztes
„Die Erde sei ihm leicht" oder „Gott verzeihe ihm" nach nnd begeben sich in das
Trauerhaus.
Der Todte erhält mancherlei Beigaben und das Grab sinnigen Schmuck. Kindern
wird die Wiege auf das Grab gestellt. Schulkinder erhalten Buch und Schreibtafel mit,
Erwachsene zur Wegzehrung einen Krng mit Wein am Kopfende. Im Kindbett verstorbene
Frauen erhalten, falls das Kind ein Knabe war, eine Hose, und war es ein Mädchen, den
Spinnrocken sammt Wirtel mit. Hänfig erhält der Todte auch einiges Geld als Obolus,
damit er, falls er zufällig in ein schon benütztes Grab zu liegen käme, seine Platzmiethe
bezahlen und sich mit dem ursprünglichen Inhaber besser vertragen könne. Der im Bilde
dargestellte kleine orientalisch orthodoxe Friedhof in der Gegend von Dolnji-Unac liegt
auf einer ursprünglich römischen Begräbnißstätte. Das hohe hölzerne Kreuz neben der Eiche
ist nach alter Sitte am Grabe eines Mädchens aufgestellt und wird mit kleinen Tüchern
und bunten Bändern am oberen Theil geschmückt.
Die Trauergäste kehren in das mittlerweile sorgfältig ausgefegte Haus (der Besen,
womit dies besorgt wurde, wird weggeworfen) zurück, waschen sich Hände und Antlitz,
trocknen sich aber nicht mit dem Handtuche, sondern am Fener ab und setzen sich zum
Leichenschmause nieder, um auf das Seelenheil des Heimgegangenen zn trinken. Ähnliche
Leichenschmänse werden am dritten, siebenten, vierzigsten Tage (in der Regel an dem
diesem nächsten Samstage) nach einem halben Jahre und nach Ablauf der Jahresfrist
gehalten. Zu solchen Leichenschmäusen bringt Jeder seinen Beitrag (priloZ) an Speisen
uud Getränken mit. Häufig werden am Grabe als Opfer Speisen niedergelegt, namentlich
Eier und Kuchen, welche dann Arme, nachdem sie dem Todten ihr „Gott sei ihm
gnädig" zugerufen, wegtragen. Am dritten Tage wird das Grab mit Weihrauch geräuchert.
Das Grab erhält außer eiuem einfache» Kreuze uoch anderen Trauerschmuck. Aus
eiuem Kindergrab wird am Kopfende eine Stange mit einem Tuche angebracht, ein Mädchen
erhält mehrere Tücher, und, an den Ästen der Stange aufgesteckt, rothe Äpfel, Citrone«,
eine Quaste vom Feß und wohl anch ein Halsband. Den kostbarsten Schmnck erhält aber
das Jünglingsgrab; die Schwestern des Todten opfern ihm ihr Haar und heften es neben
den bunten Tüchern an den Trauerpflock.
Ganz abweichend von unseren Begriffen, wie man die Trauer um einen Verblichenen
äußerlich zur Schau tragen soll, gilt in Bosnien Weiß als Trauerfarbe, und die Frauen
tragen weiße Trauertücher. Zum Zeichen der Trauer tragen die Frauen ihr Haar lose,
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch