Seite - 370 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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(Leichentuch), in welchen der Körper eingehüllt wird, dem Todtenhemd, welches keine
Ärmel besitzt und dessen Nahtfäden nirgends verknüpft oder geknotet sein dürfen, und
endlich der Leichendecke, einem Linnen, in welches man den Körper hüllt. Die Leiche wird
nun auf die Bahre (tabut) gelegt, und zwar so, daß die rechte Seite zurKidla (Xidla) gekehrt
ist, und man bedeckt sie mit einer Decke (caburtiM), welche aus der Moschee geholt wird,
oder auch mit eiuem Stück Tuch, welches der Hodza, der die Leichenceremonie vornimmt,
zum Geschenke erhält. Am Kopfende der Bahre wird bei Männern der Turban, bei Frauen
eiu Jagluk angebracht. Besonders zu erwähnen ist, daß, wenn eine Frau stirbt, ihr eigener
Mann sie nicht mehr sehen darf, denn nach der Volksansicht hat der Tod alle Familienbande
gelöst, nnd die Todte gilt ihm als fremdes Wesen. Die Bahre wird hierauf zur Moschee
gebracht, wo der Priester das Todteugebet verrichtet, uud dann zu Grabe getragen. Am
Leichenbegängnisse nehmen nnr Männer theil und erweisen den Todten die letzte Ehre, indem
sie abwechselnd die Bahre tragen. Männer werden nur im Leicheugewaude, Frauen aber in
einem einfachen Sarge in die Grube horizontal, die rechte Seite zur Xibla (ki-dla) gerichtet,
gelagert, mit Breitern dachartig überdeckt nnd von den Angehörigen mit Erde überschüttet.
Am Grabe betet der Hodza die worauf alle Anwesenden rufen,
da«» sich entfernen und deu Priester am Grabe allein lassen. Dieser, am Mittelrande des
Grabes stehend, verrichtet den l'alkin. Die Mohammedaner glauben nämlich, daß der
Todte, sowie er bestattet ist, sein zweites Leben beginnt, und die neuen Lebensgeister von
den Zehen aus zur Kraft kommen. Vor dem zum Leben im Jenseits Bernsenen erscheinen
Engel, welche ihn über sein Glaubensbekenntniß befragen, und Pflicht des Priesters ist
es, den Todten unter Anrufung seines und seiner Mutter Namen zu belehren, wie er sich
zu verhalten habe, um die Prüfung zu bestehen, um der ewigen Seligkeit theilhaftig zu
werden. Diese Ceremonie heißt der „Talkin". Bei Kindern wird, da man annimmt, daß
sie sündenfrei sind, der Talkin nicht vorgenommen.
Ein in seiner Grundauschanung edler Brauch ist das sogenannte ve vi i - islcat-
i sa la t , eine Art von Sündenhandel, der mitunter bei Todesfällen gebräuchlich ist.
Wie bei den Christen, ist auch bei den Mohammedanern der .H-ckal" (Versöhnung)
vor Eintritt des Todes üblich, und der Sterbende stiftet dann in der Regel einen Theil
seines Vermögens wohlthätigen Zwecken, um damit Vergebung seiner Sünden zu er-
langen. Nachdem der Tod eingetreten, versammeln sich die Nachbarn, und drei Männer
nnter ihnen schätzen die Sünden des Todten ab. Die Sünden werden nach gewissen
Normen taxirt, nnd beispielsweise wird ein vernachlässigtes Gebet auf 520 Drachmen
Weizen geschätzt. Die herausgefundene Snmme der religiösen Vernachlässigungen wird in
Geld umgerechnet, und ergibt sich, daß der vom Verblichenen zu wohlthätigen Zwecken
testirte Betrag geringer ist, so wird unter den Angehörigen eine Collecte veranstaltet, bis
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch