Seite - 372 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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dem gelehrten Europa jener Zeiten bekannteren Namen „slovinisch" und illyrisch vertreten
ist und deshalb auch offieiell anerkannt wnrde.
Diese Sprache kann mit Recht die schönste unter ihren slavischen Schwestern
genannt werden. Sie zeichnet sich ebenso durch große Reinheit und melodischen Vollklang
ihres Vocalismus, als durch kraftvolle Biegsamkeit und Geschmeidigkeit ihres Con-
sonantensystems nicht nur vor den nord- und westslavischen Sprachen, sondern auch vor
denen der nächstverwandten Slovenen und Bulgaren auf das vortheilhafteste aus. Sie
steht vielleicht dem Slovenischen an Zartheit des lyrisch-poetischen Ausdruckes nach,
übertrifft es jedoch durch hervorragende Eignung zu rhetorischen und epischen Zwecken.
Von den drei, bekanntlich nach der dreifachen Form des für das Fragepronomen
„was" üblichen Wörtchens (kaj, ca und sto) benannten Dialecten der Kroaten und
Serben lebt in Bosnien und der Hercegoviua, soweit bloß das erwähnte charakteristische
Wörtchen in Betracht kommt, nur der „Ztokavifche"; doch haben sich auch Reste einzelner
Eigenthümlichkeiten des in vielfacher Hinsicht als alterthümlicher geltenden La-Dialectes
bis auf den heutigen Tag erhalten, zwar nicht unter den Orientalisch-Orthodoxen,
wohl aber unter den Katholiken und Mohammedanern. So hört man insbesondere
bei den Katholiken von Kreöevo das zu ,j verdünnte Zj (zum Beispiel meja statt meAja),
uud ferner sind auch Accentuirungen der letzten Wortsilbe, sowie gegebenen Falles die mit
dem alten Accent in Verbindung erscheinende unbetonte Länge der vorausgehenden Silbe
bei den Mohammedanern überhaupt und auch bei den Katholiken von Kresevo und Vares
nichts Seltenes (zum Beispiel Genitiv vocie, Xrähsvic). Was dagegen den Laut des alt-
slovenischen i betrifft, so macht sich unter den Orientalisch-Orthodoxen an der serbischen
Grenze längs der unteren Drina, jedoch nur vereinzelt, der Ekavismns bemerkbar, während
der genannte Theil der Bevölkerung sonst dnrchgehends jekavisch spricht; dagegen ist die
Sprache der Katholiken und Mohammedaner wohl in derMehrzahl ikavisch'. Eine einheitliche
geographische Grenzbestimmung zwischen den Sprachgebieten des Jkavismus und Jekavis-
mus der Katholiken und Mohammedaner dürfte kaum gelingen; beide Mundarten leben
vielfach in denselben Orten, wie zum Beispiel in Sarajevo selbst, nebeneinander; in ein-
zelnen anderen Gegenden wieder, wie zum Beispiel in der ganzen Umgebung von Travnik,
herrscht ausschließlich der Jkavismus, sowie umgekehrt Kreöevo und Vareö mit einer so gut
wie ausschließlich katholischen und mohammedanischen Bevölkerung eine rein jekavische
Sprache aufweisen. Eine ziemlich allgemeine Eigenthümlichkeit der Jkavcen ist es, daß sie
umgekehrt das Präfix pri wie prs aussprechen (zum Beispiel prstisnuti statt pritisnuti),
sowie demgegenüber vielfach s^eromaStvo statt siromatztvo (Armuth).
! Anmerkung der Redaction: Diese drei Bezeichnungen besagen, ob der erwähnte Buchstabe wie o, wie oder wie
i ausgesprochen wird.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch