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das Gefühl des Abendländers wirken, was die Stimmung anbelangt, die Melodien
meistentheils nur unausgesprochen. Man hört manchmal sehr schmeichelnde oder kühne
melodische Linien, man lauscht ihnen mit wahrem Entzücken, besonders wenn sie sich wie ein
munteres Wässerlein aus den Kehlen kleiner Mädchen ringen, aber man erräth nicht, wovon
gesungen wird. Sie sind, möchte ich sagen, so eomponirt, daß sie auf jeden Text passen.
Übrigens ist dem auch so. Eine Melodie dient gewöhnlich mehreren Texten, und so geschieht
es, daß oft ein Text mit traurigem Inhalte auf eine Melodie gesungen wird, in der nicht
eine Spur von klagendem oder traurigem Ausdrucke zu finden ist, während die stets
schluchzenden und weinerlichen Gesänge der Guslespieler oft sehr heitere Histörchen berichten.
Im großen Ganzen übt der musikalische Theil des Volksliedes den Eindruck aus, als ob
die musikalische Einkleidung dem Texte hier noch nicht als angemessenes Eostüme diene, das
ihm Ausdruck verleiht, sondern nur das sonntägliche Gewand, den Salonanzng vorstellt,
der den Text gewißermaßen über das einfache Erzählen auf ein höheres Niveau heben soll.
Ob wir nun die Dorfmelodien ins Auge fassen, die sich dadurch auszeichnen, daß
am meisten jeder Silbe eine Note entspricht, oder die Gesänge 5er Städter, die wieder die
Verbindung vieler Noten mit einer Silbe aufweisen und dadurch schwungvollen, lieblichen
Figuren ähneln — fast alle haben das Gepräge des Ritualgesanges, erscheinen, wenigstens
für uns kalt, wie etwa ein gelehrter Contrapunkt. Daß man hier nicht einmal die Absicht
hat, einen Eindruck im Sinne der internationalen Musik zu erzielen, davon zeugt auch
der Vortrag der Gesänge, seien sie nun ländlich oder städtisch. Von einem sogenannten
musikalische» Vortrage ist hier nicht die leiseste Spur zu finden. Jede Melodie wird vom
Anfange bis zum Ende mit einer gleich starken, durchdringenden, aber sehr geschulten
Stimme gesungen. Sie ist stets auf eine große Entfernung berechnet. Da wirkt der Gesang
auch sehr angenehm, ja geradezu reizend, besonders der von Mädchen. Soviel über das
innere Verhältnis zwischen Lied und Melodie. Nun noch etwas über deren äußeres Verhält-
niß. Bei unseren Liedern ist die Sache einfach. Der Text wird unter die Melodie gesetzt
uud alles ist fertig. Hier ist das alles viel complicirter. Betrachten wir folgendes Beispiel:
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s odje strane 60 Helene lrave u. s. w. Iovo führt seinen Braun an: Kampfpla^e (herum),
Er bedeckte ihn niit einem grünen Mantel
An beiden Seiten bis zum grünen Grase.
Bosnien und Hercegovina. 25
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch