Seite - 394 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
Bild der Seite - 394 -
Text der Seite - 394 -
394
welcher die beiden Apostel die ersteil Übertragungen der heiligen Kirchenbücher in Verkehr
brachten. Sie bedienten sich zn diesem Zwecke ihrer Muttersprache, wie sie um jene Zeit
in der Umgebung von Salonichi gesprochen wurde; doch haben sie zahlreiche Worte und
Redewendungen zweifelsohne auch dem Dialekt der ihrer Seelsorge anvertrauten Mahrer
entlehnt. Der heilige Method erlebte noch die Genugthuung, daß der Papst diese Sprache
zur Kirchensprache erhob mit den Worten: »llteras äeniczus sclodeniens n donstantino
ciuoncZam pkilosopko ropertas jure lauclamus et in eackein lin^ua LIKristi ckomim
nostri laucZes et praeconia ennrrentur ^ubemus."
Als bald nach dem Tode des heiligen Method seine Schüler ans Mähren vertrieben
wurden, fanden sie eine willkommene Zufluchtsstätte beim bulgarischen Fürsten Boris.
In Bulgarien, insbesondere unter Simeon dem Großen (gestorben 927), erlebte die
slavische Literatur ihr goldenes Zeitalter. Es entwickelte sich hier neben der kirchlichen
zum ersten Male auch eine weltliche Literatur. Es erstanden zahlreiche Kirchen und Klöster;
daneben fanden auch die wirthschaftlichen Interessen eine sorgsame Pflege. Nach dem
Tode des mächtigen Simeon begann die junge Cultur rasch zu verfallen; doch wurde
der hier ausgestreute Same einerseits nach Rußland, anderseits nach Serbien nud den
benachbarten kroatischen Gebieten verpflanzt.
Ein großer Nachtheil für die aufkeimende slavische Literatur war die Berührung
mit der byzantinischen Civilisation, die sich mehr und mehr in nichtssagenden Bombast
und leere Phrasen verlor. Dieser Nachtheil wurde noch gesteigert durch den heiligen Sava,
welcher das serbische Culturcentrum auf fremden Boden, auf den Athos, verlegte. Dadurch
verlor die Literatur jeden Zusammenhang mit den Bestrebungen nnd Bedürfnissen des
serbischen Volkes. Was Wnnder, daß selbst die Biographien der serbischen Herrscher
von ihren weltlichen Thaten sehr wenig, um so mehr aber von ihren kirchlichen Stiftungen
zu erzählen wissen. Der heilige Sava selbst schildert das Leben seines Vaters nicht als
das des Herrschers Nemauja, sondern als das des Mönchs Simeon. Man schrieb eben
nicht für das Volk, sondern znm Ruhme frommer Herrscher und zur Verherrlichung der
Kirche. Dusans im Jahre 1354 ergänztes Gesetzesbnch ist eines der wenigen kostbaren
Denkmäler weltlicher Literatur dieser Epoche. In Kroatien, besonders aber in Dalmatien,
ringt die Volkssprache in dieser Epoche mit Erfolg nach öffentlicher Geltung. Die Kirchen-
bücher sind allerdings noch in der altslavischen Sprache abgefaßt; allein in allen Staats-
und Privatangelegenheiten herrscht fast ausschließlich die lebende Volksrede. Zahlreiche
Denkmäler aus dieser Zeit sind kostbare Beiträge zur Kenntnis der damaligen Sitten nnd
Gebräuche, wie sie sich hauptsächlich im Gewohnheitsrechte spiegeln.
Bosnien, diese natürliche Brücke zwischen dem Orient nnd Oecident, war frühzeitig
von zwei wesentlich verschiedenen Culturen übersluthet, was sein gesammtes Geistesleben
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch