Seite - 397 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
Bild der Seite - 397 -
Text der Seite - 397 -
397
Gjnro Danicic veröffentlicht. Den Bognmilen wird auch die sogenannte Bosancica, eine nur
in Bosnien übliche Abart der cyrillischen Schrift, zugeschrieben, für welche Annahme ganz
besonders der Umstand spricht, daß sich dieser Schrift die bosnischen Mohammedaner, die
Nachkommen der einstigen Patarenen, im gegenseitigen Verkehr auch heute noch bedienen.
Das ist so ziemlich Alles, was wir über die älteste heimische Literatur wissen;
allein auch dieses schwache Lichtlein verlosch mit der Besitzergreifung des Landes durch die
Osmaueu. Durch diesen Schicksalsschlag waren alle Geister so sehr gelähmt, daß über
zwei Jahrhunderte vorüber gingen, bis sie sich wieder sammelten. Mit Matija Divkovic
beginnt die zweite Literaturperiode Bosniens.
Zweite Periode. — Es ist bekannt, wie gerade das Wiederaufleben der altclassischen
Studien den Impuls zur Schaffung einer blühenden italienischen Nationalliteratur gab,
welche an Tiefe der Gedanken uud Empfindungen, sowie an Geschmeidigkeit der Form von
keiner späteren Literaturepoche überflügelt wurde. Diese an originellen Eingebungen so
fruchtbare Geisterbewegung ergriff auch das benachbarte Dalmaiien. Während sich das
eigentliche Kroatien in der Abwehr der sich alljährlich wiederholenden Türkeneinfälle
verblutete, daher weder Zeit noch Muße fand, an seiner geistigen Erhebung zu arbeiten,
erlebte die kroatische Literatur in dem kroatischen Athen, im reichen und freien Ragusa, ihr
goldenes Zeitalter. Den Kulminationspunkt erreichte dieser Aufschwung mit dem vielseitigen
und noch immer größten kroatischen Dichter I v a n Gnndnliö (1588—1638).
Bon diesen geistigen Strömungen konnte das an der Schwelle Dalmatiens liegende
Bosnien nicht ganz unberührt bleiben, ja es uahm unter allen südslavischen Ländern nach
Dalmatien den regsten Antheil an der literarischen Arbeit. Da aber die Schriftsteller
dieser Periode ausschließlich Franciscaner waren, ist es natürlich, daß sie für ihre Zwecke
lediglich aus der religiösen Dichtung Dalmatiens schöpften. Ihre Absicht war nicht, zu
unterhalten, sondern zu erbaueu, eiue Tendenz, welche die bosnische Literatur bis in die
jüngste Vergangenheit beherrschte.
Die Schriftsteller bedienten sich zunächst der laudesüblichen Bosancicaschrist; erst
im XVII. uud XVIII. Jahrhundert gewinnt die Lateinschrift die Oberhand. Ihre Erzengnisse
haben, wie bereits bemerkt, einen rein ethischen, aber keinen ästhetischen Werth ; gleichwohl
bilden sie für den Philologen und Cnltnrhistoriker eine ergiebige Fundgrube, für den
Philologen, weil sie ohne Ausnahme in der reinen, unverfälschten Volkssprache abgefasst
sind, für den Culturhistoriker, weil insbesondere in den Predigten die moralischen
Gebrechen der bosnischen Bevölkerung jener Zeit gegeißelt werden. Die Predigten sind
ferner mit zahlreichen, meist der lateinischen Literatur entlehnten Erzählungen und Sagen
ausgeschmückt, welche das schlichte Volk in seinem Geiste uniarbeitete und dem reichen
Schatze seiner traditionellen Literatur einverleibte.
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch