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Sie nahmen die spärlich vorhandenen Arbeiten einzelner Meister in Augenschein, veranlaßten
die Ausführung verschiedener Objecte durch ehemalige einheimische Kunsthandwerker, welche
ihren Beruf infolge mißlicher, materieller Verhältnisse aufgegeben hatten, und sammelten auf
diese Art das Material, welches zur Inangriffnahme der weiteren Action erforderlich war.
Es kann nicht unerwähnt gelassen werden, daß gerade die Forschungen des bedauerlicherweise
durch Geisteskrankheit frühzeitig seinem Berufe entzogenen Szentgyörgyi, welcher mit
unsäglicher Mühe und nie erlahmendem Eifer in Gerümpel und alten Vorratskammern
die anziehendsten Formen und die charakteristischesten Ornamente der alten Technik zu
finden wußte, auf diesem Gebiete bahnbrechend waren. Die gegenständlichen Studieu
erstreckten sich auf folgende Industriezweige: 1. Jucrustation. 2. Tanschirarbeiten.
Z. Treiben und Graviren. 4. Teppichweberei. 5. Stickerei.
Die Technik der Jnerustation, der Einlegearbeit auf Holz, welche sich namentlich
durch die große Feinheit der Ausführung und den außerordentlichen Reichthum an originellen
Ornamenten auszeichnete, wies zu der Zeit noch eine ziemliche Anzahl von kundigen
Vertretern im Lande anf. Hiebei wurden drei verschiedene Nuaucirungen vorgefunden, an
die sich auch wieder die einzelnen Meister konstant zu halten pflegten: Arbeiten von außer-
ordentlich feiner und zarter Ornamentik, daun solche mit starken Linien und einfachem
Ornament uud endlich Arbeiten, welche diese beiden Genres zu vereinigen trachtete».
Nach den Städten, in welchen die Hauptvertreter der einzelnen Gattungen lebten, wurden
sie zur Unterscheidung Sarajevoer, Focaer und Livnoer Arbeiten genannt.
Nicht so günstig stand es mit dem Tauschiren, der Einlegearbeit anf Stahl. Die
Tauschirtechnik hat sich in Bosnien speciell bei der Decoriruug von Waffen zu künstlerischer
Vollkommenheit entwickelt, ist aber nach nnd nach in Verfall gerathen. Nur ein einziger
wirklicher Künstler im Tauschiren, Namens Mustafa Letie, wurde in Foea vorgefunden.
Der hochbetagte Meister hatte die Ausübung seines Knnsthandwerkes bereits aufgegeben
und befaßte sich mit der Bearbeitung seiner kleinen Wirthschaft. Als man mit der
Aufforderung an ihn herantrat, den winzigen Hammer und den silbernen Draht wieder in
die Haud zu nehmen, meinte er, die Zeiten seiner Kunst seien schon vorbei. Vieler Mühe
und verhältnismäßig ansehnlicher Geldopfer hat es bedurft, um Letiö dazu zu bewegeu,
mir zwei Schülern Unterricht im Tanfchiren zu ertheilen. Kaum ein Jahr hatte der
merkwürdige Greis sein Amt ausgeübt, als ihn der Tod seiner Thätigkeit entriß;
dennoch ist durch ihn die Tanschirkunst Bosnien erhalten geblieben.
Treib- und Gravirarbeiten waren seit langem in Bosnien heimisch. Da diese
Techniken zum großen Theile auf Gegenstände des täglichen Gebrauches angewendet wurden,
so fand mau stets auch zahlreiche Vertreter dieses Industriezweiges im Lande. Der Verfall
derselben lieferte aber auch den deutlichsten Beweis für die eingetretene Verarmung der
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch