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Gestalt neu aufbauen. Das spitzbogige Hauptportal, nebst dem großen Fenster darüber,
ist vom XV. Jahrhundert, das Gewölbe der Vorhalle vom Jahre 1737. Die schwarzen
Linien zeigen die ursprüngliche Anlage. Aus dieser und den Details des Aufbaues stellt
sich die Phantasie unschwer den ursprünglichen Zustand her, und was etwa fehlt, ist im
Wege der Folgerung zu errathen.
Demnach war die Kathedralkirche von Karlsburg eine spätromanische Pfeilerbasilika
mit drei Langschiffen und einem Querschiff und drei halbkreisförmigen Apsiden als
Abschluß. Auch den Verhältnissen nach gehörte sie zu den bedeutenderen; das Mittelschiff
sammt Chor war etwa 59 Meter lang, die Breite der drei Schiffe betrug 23 Meter. An
Reichthum der Anordnung, besonders aber an Kunst der Raumbildung übertraf sie alle
gleichzeitigen Kirchen in Ungarn. Diese nämlich waren, so weit bekannt, einfache Lang-
bauten, während die zu Karlsburg ein Querschiff hat, dessen Länge (33 Meter) dem
aus drei Quadraten bestehenden Mittelschiff nahezu gleichkommt, so daß ihr Kreuzungs-
quadrat annähernd ihren Mittelpunkt bildet. Dadurch erscheint das Innere der Kirche
geräumiger, freier, übersichtlicher. Den Abmessungen des Raumes in die Länge und Breite
entspricht die Höhe (18 Meter) des Kreuzgewölbes, das einen stumpfen Spitzbogen
bildet. Die Harmonie dieser drei Dimensionen ergibt eine ruhige, würdevolle Wirkung,
die noch dadurch gesteigert wird, daß die constructiven Hauptbestandtheile, namentlich die
abwechselnd niedrigeren und schlankeren, oder höheren und dickeren Pfeiler, sowie die
Gurten kräftig gebildet und durch mächtige Halbfäulenschäfte gegliedert sind. Durch die
höheren Fenster der Seitenwände fällt reichliches Licht in das Mittelschiff ein, während
die Seitenschiffe wegen ihrer kleineren Fenster mit Dämmerung erfüllt sind. Die innere
Raumgliederung ist am Äußeren des Gebäudes ersichtlich gemacht. Ein etwa drei Meter
hoher Mauerrest unter dem Dachstuhl läßt erkennen, daß sich über der Vierung einst ein
achteckiger, vielleicht ganz gemauerter Thurm, beziehungsweise Kuppel, erhob. Da aber
auch die Vierung eingewölbt war, sandten die Fenster des Thurmes kein Licht in das
Innere der Kirche, die Vierung war also nicht zugleich der Mittelpunkt des Lichtes.
Diesem Mangel wurde jedoch einigermaßen durch das mächtige Radfenster abgeholfen,
dessen Spur an der südlichen Giebelwand des Querschiffes noch jetzt zu erkennen ist.
Das zugemauerte Südthor ist noch wohlerhalten; seine architektonische Gliederung
ist correct und schön; das Ornament, das die Säulenschäfte und Wülste seiner Laibung
dicht bedeckt, hat viel Ähnlichkeit mit dem Bandgeflecht der Völkerwanderungszeit; im
Bogenfelde zeigt ein Relief Christus, die Apostel Peter und Johannes und hinter diesen
beiden einen auffliegenden Phönix. Auch das Bogenfeld gegen das Innere des Schiffes
hin ist mit einem Relief ausgefüllt, das aber von anderswo hiehergelangt sein mag, da
es von ganz byzantinischem Charakter ist; es zeigt den thronenden Christus zwischen zwei
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch