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der Idee war, die eben in seiner Aufgabe als nationaler Schirmbnrg lag. Durch Bocskay
wnrde jenes königliche Ungarn, das nicht durch bösen Willen, sondern nvthgedruugen, durch
geographische Gestaltung, Verstümmelung seines Gebiets, Verwüstung und Verarmung
zum Diener der Interessen des großen Deutschen Reiches geworden war, wieder fähig, an
die eigenen Interessen nnd seine nationale Zukunft zu denken. Darum verdient Bocskay als
Fürst von Siebenbürgen, wie als ungarischer Staatsmann, den Beinamen „der Große".
Seine Nachfolger brauchten nur sein politisches Testament auszuführen, seinen
Fnßstapsen zu folgen. Klug und in Ehren haben sie das auch gethan, zum Besten der
beiden Schwesterländer. Unter ihnen der geniale Gabriel Bethlen und der in seiner
Willenskraft unbeugsame Georg Raköczy I., durch welche Siebenbürgen nebst den ,?ar1es°
zu einem relativ so hohen Grad von Wohlstand und Macht emporstieg, daß ans diesem
Schatz beide frische Kraft und neue Energie auch nach Westen tragen konnten, wo das
Magyareuthum unter drückenden Verhältnissen an Zahl und Kraft immer mehr zurückging
und dieser Stärkung seines politischen und nationalen Bewußtseins dringend bedürfte.
Und nicht nur, daß sie dort den immerfort gefährdeten ungarischen Constitutioualismus
neuerdings sicherten, sie konnten auch noch Größeres wagen. Mit kühner Hand und nicht
ohne Ruhm, denn sie waren gesuchte Verbündete, mischten sie sich in die Kämpfe des
dreißigjährigen Krieges und waren nicht die letzten Kämpen einer der großen Ideen, die
in diesen Kämpfen zu Tage traten, des Princips der Gewissensfreiheit. Denn die
Gewissensfreiheit war im Staatsleben Siebenbürgens ein Erbtheil aus dem XVI. Jahr-
hundert, eine geheiligte Überlieferung, die dieses kleine Land in Sachen der gegenseitigen
religiösen Dnldung und religiösen Aufklärung zu einem nachahmeuswertheu Muster in
der neueren Geschichte der Menschheit gemacht hat, wodurch wieder seine racenpolitischen
Aufgaben universalen Werth und einen ethischen Schmelz erhielten.
Und zu diesen Aufgaben kam schließlich noch, nachdem der königliche Hof aufgehört
hatte, in Ofen zu refidiren, die nationale Mission, als Mittelpunkt einer zum Richtung-
geben berufenen ungarischen Gesellschaft zu dienen; da waren es der siebenbürgische
Fürstenhof und die ihm anhängende Gesellschaft, welche die ungarische Sprache, Literatur
und Gelehrsamkeit zu fördern und zu Pflegen hatten. Die ungarische Literatursprache gewann
ihre Mannbarkeit iu jenem äußeren Gewaude, das sie unter siebenbürgischem Einfluß anlegte.
Um aber zu ermessen, wieviel die Fürsten Siebenbürgens für die allgemeine Cultur und
Wissenschaft gethan haben, braucht man nur an die Hochschulen Gabriel Bethlens nnd
der beiden Raköczy in Siebenbürgen und Ungarn zu denken, Anstalten, an denen nicht nur
die allerersten vaterländischen Kräfte, die unvergeßlichen Bahnbrecher ungarischer Literatur
und Wissenschaft wirkten, sondern auch europäische Berühmtheiten, wie Opitz, der Vater
deutscher Dichtkunst, und Amos Eomenius, der Großmeister der Pädagogie.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch