Seite - 184 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (7), Band 23
Bild der Seite - 184 -
Text der Seite - 184 -
184
treibt. Er dringt über Kronstadt bis nach Rumänien und über Großwardeiu bis nach
Wien vor, immer im Kommen und Gehen, in Kauf und Verkauf begriffen. Daher die
starken Wandlungen in der Einrichtung seines Hauses und in seiner Tracht, deren uralte
Eigenart sich schou verleugnet. Das Kind trägt statt rother Stiefel bereits Strümpfe
und Schnürschuhe, die gebauschten Schulterärmel sind dem Janker gewichen. Die decken-
hoch ansgethürmten Betten haben die alte Kissen- und Leiutuchweise verloren und
schmiegen sich unter eine Bettdecke. Die „modischeren" Familien nehmen wohl auch schon
die Legbretter von den Wänden, auf denen die prächtigen alten Kannen geprangt haben.
Den Wandschmuck der Älterväter, die „Stange", haben sie ohnehin schon längst cassirt.
Auf dieser Stange (i-uch hingen früher alle die alten .varrvttas- (Ausnähsachen) aus-
gebreitet. Aber der laute Jammer der Todtenklage in Kalotaßeg ist noch immer der der
Klagelaute von früher, und auch die Hochzeit wird nach Vätersitte begangen. Die Braut
nimmt versifieirten Abschied vom Elternhause, gereimt ist auch ihr Eintrittsgruß an das
neue Heim, und in Reimen thut sie es tags darauf der neuen Familie kund: „Bin nunmehr
ein Glied von dieses Hauses Sippe, Theil' ihr ganzes Freud und Leid mit Herz und
Lippe." Nun ist die perlenbenähte (Jungfernkranz) abgelegt und der weiße
Linnenschleier (lcontyolö) um ihren Haarbund (kont>) geschlungen; das neuerdings
versammelte Hochzeitervolk jubelt und setzt das Gelage fort. Da ist Raum genug für die
Sprünge des Volkshumors, dessen Witz oft echte Perlen verstreut.
Das Volk der Gegend ist überaus gastfrei, und wenn es nach Bänffy-Hnnyad zu
Markte geht, findet es dort die nämliche Gastfreundschaft. Das Magyarenvolk der Dörfer,
aber auch die Rumänen aus den Alpen strömen in Schaaren nach den Bänfsy-Huuyader
Bauernhöfen, just als ob sie nach Hause giengen. Sind die Hausleute gerade mit „Reihe-
sitzen" auf dem Markte beschäftigt, so hat das auch nichts zu sagen; der Gast weiß schon,
wo der Schlüssel unter dem Vordach versteckt ist. Die „Laubenthore" stehen bis Sonnen-
untergang spannosfen, der Gast kann nach Belieben kommen und gehen, sammt dem Stück
Vieh, das er gekauft hat oder verkaufen will. Und auch dem neugierigen Reisenden steht
Thür und Thor offen; mit Herzlichkeit wird ihm alles vorgewiesen und kein Mensch lacht
ihm etwa ins Gesicht, wenn es auch hinter seinem Rücken nicht an Bemerkungen fehlt, wie
manche Leute so gar nichts zu thun haben, daß sie in anderer Leute Haus und Hos
schnuppern und stöbern müssen. Übrigens sind sie durch das Lob ihrer malerischen Tracht und
körperlichen Schönheit schon so verwöhnt, daß es ihnen gar keinen Eindruck mehr macht.
Das Magyarenvolk von Kalotaßeg ist sehr kleiderfroh und etwas prunksüchtig, selbst
der Arme kleidet sich nicht anders als der Wohlhabende. Sein großer Fleiß erwirbt ihm
das reiche Feiertagsgewand und in seiner Tulpenlade liegt das ausgenähte (varrottas)
Weißzeug kaum weniger dicht, als bei dem größten Bauern. Seine saubere Stube ist mit
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch