Seite - 286 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (7), Band 23
Bild der Seite - 286 -
Text der Seite - 286 -
286
sv fort, eine Unmenge von Bildern. Auch unter den Liebeslieder» sind die kummervollen,
melancholischen, klagenden Gesänge die schönsten; in ihnen ist das Gefühl, wenn auch
nicht natürlicher, doch tiefer und stärker und auch der Bilderschmuck reicher. Die Liebe
ist „fluchwürdige Pein" und das Herz des unglücklichen Liebhabers bricht in lautes Weh
aus; mau glaubt das Schluchzen zu hören, das den bitteren Vorwurf begleitet:
„O Liebe, o Liebe, fluchwürdige Pein,
Was trägt nicht jedes Baumblatt die Blüthe dein!"
Die Macht der Liebe, die stärker ist als Alles, behext und lähntt den Willen
dessen, in dem sie sich eingenistet hat, er kann sich nimmermehr beherrschen.
Wie jedem Volke, gilt auch dem Szekler sein Dorf als das Vaterland. An den
Boden, der ihn geboren, klammert er sich mit starker Liebe; und sei es auch nur das
Nachbarcomitat, wohin er als Soldat marschiren muß, sein Herz weint nach Hause, er
fühlt sich fremd auch unter verbrüdertem Volk. Wie viel mehr in alter Zeit, als er nach
Polen und Welschland (Taliänland) ziehen musste!
Sie führen, führen mich ins polnische Land,
Weinend schau' ich zurück, lieb' Heimatland.
Er klagt, dass er dort ein polnisch Mädchen wird umarmen müssen:
Wenn ich's umarme, schmerzen mich die Sehnen,
Wenn ich's küsse, strömen meine Thränen.
Aber dieses Volk mit seiner Wehklage ist kaum zu erkennen, wenn es seine Märchen-
geschichten erzählt oder beim Tanz mit der flachen Hand laut klatschend an den Stiefel-
schaft schlägt und dazu unter Jauchzern lustige Stichelverslein losschnellt. Kaum wird
die Fiedel laut, kann er seine Tanzlust nicht mehr zügeln; kein Tanzmeister macht es ihm
nach, wie er die Figuren des „Scheuueustampsers" ans die Tenne hintaktirt, und dazu
„gibt er uoch dem Tanz das Wort":
Diese Scheun' ist mir zu klein, ! Dieses Haus ist mir zu klein.
Flieg' hinaus, wie'n Wachtelein. > Tret' ihm schier die Wände ein.
Den Zigeuner ermuntert er mit herzlicher Neckerei:
Fiedle, Schwarzer, kriegst ein Schwein,
Hast kein'n Hof, da bleibt er rein.
Und oft verräth er beim Tanz in einem Jauchzer auch das Geheimniß seines
Herzens. Es sind eitel Liebeserklärungen, wenn er singt:
Hei, wie herzig, hei, wie gut,
Hci, wie gehl mir die ins Blut! Augen schwarz und Wangen roth,
Muß sie kriegen, bin sonst lodt.
Krieg' ich die nicht, bin ich hin,
Hab' für Speis' und Trank kein' Smn,
Lieg' bald tief im Grabe drin.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch