Seite - 297 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (7), Band 23
Bild der Seite - 297 -
Text der Seite - 297 -
297
des XVIII. Jahrhunderts und ist ein schönes Beispiel damaliger Magnatenhäuser. Der
Stil ist Renaissance mit Barockanklängen.
Am Ende des XVIII. und in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts war das Leben
der magyarischen Gesellschaft in Maros-Väsärhely sehr rege. Die meisten siebenbürgischen
Magnatenfamilien hatten hier Haus und Haushalt. Man sieht es noch jetzt den Palais
der Grafen Lazär, Teleki, Bethlen, Toldalagi und der Barone Bänffy an; das letztere
fällt als besonders stilvoll auf. Auch als Sitz der höchsten Rechtsprechung Siebenbürgens
zog die Stadt viel Leute an. Die Richter der königlichen Tafel gehörten theils den Mag-
natenfamilien an, theils wurden sie als Männer von hervorragender Stellung Begründer
vornehmer Familien. Zu den unter dem Landrichter eingeschworenen Zuraten der Tafel
gehörte wohl die Creme der siebenbürgischen Jugend. Das Casino ist eines der ältesten.
In der Epoche des nationalen Erwachens griff die hiesige Gesellschaft die patriotischen
und fortschrittlichen Ideen eifrigst auf und kämpfte in erster Reihe für deren Verwirklichung.
Auch wissenschaftliche und literarische Talente regten sich. Georg Aranka, der sich um die
Errichtung der „Gesellschaft zur Pflege der magyarische» Sprache" bemühte, war Richter
der hiesigen königlichen Tafel; der Kanzler Graf Samuel Teleki legte hier seine berühmte
Bibliothek an, die er in einem eigenen Bibliotheksgebäude seiner Nation hinterließ. An
ihrer Vermehrung, besonders an der Sammlung alter ungarischer Drucke betheiligte sich
voll Interesse seine Gemahlin, geb. Gräfin Susanne Bethlen. DasBibliotheksgebände selbst
sieht äußerlich nur einem größeren Herrensitze gleich, allein der große Büchersaal in einem
nach rückwärts abgehenden Flügel macht mit seiner umlaufenden Galerie, den Schränken
voll Bücher und all den Statuen und Bildern von Kunstwerth einen imposanten Eindruck.
Die Zahl der Bücher beträgt 40.000 und es befinden sich darunter sehr werthvolle, wie
der „Väsärhelyer Codex", eine Sammlung alter Reimdichtungen, dann eine Pergament-
handschrift der Annalen des Tacitns mit dem Wappen der Hnnyadi, aus der Bibliothek
des Köuigs Matthias, und verschiedene Unica der ungarischen Literatur. Mit der Bibliothek
sind eine mineralogisch-geologische Sammlung und eine sehr werthvolle alte Waffen-
sammlung verbunden.
Handel und Gewerbe leiden dadurch, daß die Hauptlinien des Eisenbahnnetzes
ziemlich weit abliegen. Die Rechtsakademie des Colleginms hat mit der Gründung der
Klausenbnrger Universität aufgehört und schließlich verlor die Stadt durch die Auftheilung
der königlichen Tafeln ihre jahrhundertalte Wichtigkeit für die Rechtspflege. Dennoch
nimmt die Bevölkerung zu und ist von etwa 14.000 zu Beginn der Achtzigerjahre auf
über 18.000 gestiegen. Aber auch der innere Fortschritt ist merklich. Es werden immer
mehr neue, zeitgemäße Gebäude errichtet und die alten Häuser des Hauptplatzes der Reihe
nach durch neue ersetzt. Auf diesem weiträumigen, schöngelegenen Markte erhebt sich eine
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch