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die Frauen; vor der Hütte aber prasselt das Feuer Tag und Nacht, und die Männer
schlafen im Kreise umher. Muße genug haben sie, um ihre Arbeit im Wald zu vollenden,
denn vor Ende Juli wird der Roggen doch nicht sichelreif. Gegen Ende Juli geht der
Schnitt des Roggens an und in der ersten Augustwoche ist die Reihe am Weizen. Der
Taglöhner schneidet durchschnittlich 3 bis 4 Mandeln im Tage, jedes zu 27 Garben; dem
Bauern selbst und seinem Hausgesinde wird der Sichelgriff in der Hand etwas heißer und
es mäht Jeder seine 5 bis 6 Mandeln. Der Taglohn beträgt im Durchschnitt 30 bis 40
Kreuzer, und wenn er zur Winterszeit als Vorschuß bar oder in Naturalien behoben
wurde, sogar nur 20 Kreuzer; dafür kann er in Speise und Trank prassen, denn er kriegt
fünfmal täglich zu essen und mindestens dreimal Branntwein. Ist die Ernte zu Ende, so
wird der Kranz eingebracht. Er ist aus Weizenähren geflochten und wird einem Burschen
oder Mädel aufgesetzt, die Schnitter marschiren jubelnd hinterdrein, und wo der Zug
vorüberkommt, lauert unter jedem Hausthor Jemand mit einem vollen Wasserkrug. Bis
der Bauernhof erreicht ist, ist der Kranzträger gewöhnlich zum Auswinden naß. Zu Hause
aber geht es erst recht los. Sämmtliche Hausleute harren schon aufgeregt und halten die
Wassergefäße bereit. Das ganze Dorf muß es hören, wenn ein Bauer mit seiner Ernte
fertig ist. Überall Lärm, Gejauchze, Gelächter und Gekreisch. Zum Nachtessen gibt es zwei
bis drei Gänge, und der Schnaps wird nicht gläschenweise eingeschenkt, sondern die große
Branntweinflasche geht in die Rnnde, daß jeder nach Herzenslust trinken kann. Auch
Kuchen und Honigfladen gibt es die Menge. Nehmt euch davon noch mit, es gehört ja
dazu! Der Herrgott hat die Arbeit gesegnet, da soll der arme Mann auch seinen guten
Bissen haben.
Und trotz aller Ungunst weist die Statistik eine Jahresproduktion von Getreide aus,
wovon 8 09 Metzeu aus den Kopf kommen, während das Landesmittel nur 7 63 Metzeu
beträgt. So überraschend ist der Erfolg des zähen Fleißes, mit dem das Bischen Land
bearbeitet wird. Bei zweckmäßigerem System würde der Ertrag gewiß noch weit größer.
So genügt, wenn Alles gut geht, die jährliche Getreideproductiou dem Bedarfe; für die
Ausfuhr bleibt freilich nichts übrig.
Die Viehzucht ist die Haupteinnahmsqnelle für die Masse der Bevölkerung. Ihre
Bedingungen sind sehr günstig. Gegen 125.000 Joch Ackerland, 160.000 Joch Weide und
Wiese, dazu noch viele und gute Waldweide. Wo nicht commassirt worden, dient auch das
Brachland als Weide; nach der Ernte werden Herbst- und Frühjahrshattert als Stoppel-
weide verwendet. Daß das Volk der Viehzucht Jahr um Jahr größere Sorgfalt zuwendet,
ist zum großen Theil der staatlichen Unterstützung und Leituug zu danken. Im Szökely-
Kereßturer Bezirk sieht man viele Prachtexemplare von schönen, weißhaarigen, lang-
gehörnten Ochsen der Siebenbürger Race, während in den höheren Lagen der östlichen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch