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sie keinerlei Schranken; ihre Welt war die freie Natur. Sich selbst überlassen, in geistiger
Beschränkung, wurden sie Sclaven des Aberglaubens. In der zweiten Periode konnten
sie bei ihrer geistigen Unmündigkeit keine Rolle spielen, die Gesellschaft konnte blos ihre
physische Arbeit verwerthen. Sie wurden als Knechte und Hörige ausgenützt, was in
ihrem Charakter die mit dem Druck des Hörigensystems verknüpften Neigungen zur
Entwicklung brachte.
Heute, wo das rumänische Volk alle staatsbürgerlichen Rechte genießt, befreit es
sich immer mehr auch von den Neigungen, die das Erbtheil seines früheren Zustandes
waren. Der jetzige ungarländische Rumäne ist folgendermaßen zu charakterisireu: er ist treu
seinem Stamme, der Sprache, den Gebräuchen, Überlieferungen und der Tracht, die er
ererbt hat; er hält zu den Seinen und ist gegen Fremde meist argwöhnisch; in seinem .
Kreise ist er arbeitsam, fleißig und, soweit die Armuth es gestattet, ein Freund von
Ordnung und Reinlichkeit; er ist gutherzig, aber nachtragend und rachsüchtig. Übrigens
ist er anständig. Er liebt Musik und Gesang, Scherz und Verspottung der menschlichen
Schwächen und Fehler. Dem Ungemach weicht er aus, wenn es aber doch kommt, hält er
ihm Stand. Er hält viel aus und ist geduldig. Er ist sehr religiös, auch abergläubisch,
obwohl nicht mehr so wie früher. Im staatlichen Organismus hängt er am Boden des
Vaterlandes und ist als lenksames Element anerkannt.
Haus, Hausra th . — Ihre eigene Bauweise haben die Rumänen sich besonders
in den Alpen und an Orten bewahrt, wo sie in größeren Mengen gesondert leben. Das
rumänische Haus kann von uraltem, fortgeschrittenem oder modernem Charakter sein. Die
alte Form ist die Hirtenhütte, meist aus Holz oder Flechtwerk, die stina oder kaliba.
Der Fortschritt bringt den Typus des eigentlichen Hauses (easä), wo der kaliba ein
Flur und diesem oft noch eine Stube angehängt ist. Die erste Stube ist der Wohnranm
der Familie, der Flur ist die Küche, das Hinterzimmer ist Vorrathskammer oder Auf-
bewahrungsort für das laudwirthschastliche Geräth. Die Nordseite ist fensterlos, die
übrigen Seiten sind mit kleinen Fenstern versehen. In den Alpen hat das Vorderhaus
immer einen Gang. Als Baumaterial dienen Holz, Ruthengeflecht, Luftziegel oder Erde.
Das in der Regel hohe und steile Dach ist von Stroh oder Rohr, selten von Schindeln
und Brettern. Der Fußboden ist meist gebohnter Lehm, nur sehr selten Bretterbelag.
In der ersten Stube steht rechts der Ofen. Das Bänkchen zwischen diesem und der
Wand setzt den Unterbau des Ofens fort und ist im Winter das Lieblingsplätzchen der
Kinder. An der schönsten Stelle der Stube steht der Tisch, meist aus ungestrichenem
Fichtenholz, mit weißem Tischtuch oder einer farbigen Decke, die aus Schafwolle im
Hause gewebt wird. An der Wand links vom Tisch steht das Bett aus Fichtenholz, es
enthält einen Strohsack oder das Stroh ist blos mit dem Leintuch bedeckt, darüber jedoch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch