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Von den „Kolindas" sind in Ungarn besonders die von religiösem Inhalte
allgemein; sie behandeln das Leben des Erlösers, der Jungfrau Maria und einzelner
Heiligen. Ihre Hauptzeit ist der Abend vor Weihnachten und der Weihnachtstag. Sie
haben die Refrains: ,?lorile ä'albe" (Weiße Blumen) und ckoamns, I^er!« Die
Sangweise ist kirchlich.
Die Zauberpoesie bezweckt entweder Schädigung von Menschen oder Heilung
von Geschädigten. In beiden Fällen verwenden die Quacksalberinnen gewisse Mittel
und Gerätschaften als Heilzauber, wobei sie diese gereimten oder nicht gereimten
Dichtungen als Besprechungen recitiren.
Die Zahl der Sprichwörter ist sehr groß. Etliche sind auch bei anderen Nationa-
litäten, die mit den Rumänen zusammenwohnen, populär geworden. Die meisten sind
biblischen Ursprungs, viele sind aus dem Ungarischen und anderen Sprachen übernommen.
Am treuesten aber spiegeln sich Geist und Weisheit des Volkes in den Sprüchen, die es
selbst geschaffen hat. Man höre: „Dem Hungrigen glaubt das Dorf nicht." — „Wenn
dich der Fenerbraud brennt, wirfst du ihn selbst in deines Vaters Bart!" — „Nichts
ist schwerer als ein leichter Schnappsack." — „Das Weib hat selbst den Teufel alt
gemacht."
DierumäuischeuVolksmärchen bilden drei große Gruppm: solche von mythischem,
ethnographischem und von religiösem Inhalt. In der ersten Gruppe treten einzelne
volksthümliche Gestalten des heidnischen Cultus auf, so in den Märchen von der 2ina
npelor (Wasserfee), M lrumos u. A. m. In der zweiten Gruppe kämpfen schon Riesen,
Zwerge, Zauberpriester, Wesen von übernatürlicher Kraft, verschiedene Könige, gegen-
einander. Die hervorragenderen Figuren sind da der strambä lemne (Baumbeuger)
und der barbn-cot (der mit ellenlangem Bart). Die dritte Gruppe behandelt Gott, die
Heiligen, den Teufel und den Tod. Auch die Legenden und Sagen sind zahlreich;
besonders schön die von den geflügelten Thieren. Fast jedes Thier hat seine eigene
Legende.
Gebnrts- , Hochzeits- und Bestattungsgebräuche. — Das rumänische Volk
glaubt an eine ceas dun (gute Stunde) und ceas reu (schlimme Stunde); wer in
schlimmer Stunde geboren wird, ist sein Leben lang unglücklich. Am dritten Tage nach der
Geburt Pflegen die nrsita (Loswerferinnen) über die Zukunft des Kindes zu entscheiden;
bis dahin muß die Mutter immerfort wach sein, damit ihrem Kinde nichts Übles zustoße.
Bei dem ersten Baden wirft man eine Silbermünze in das Badewasser, damit die künftigen
Tage des Kindes „weiß" (glücklich) seien und sein Leben rein wie Silber.
Die Bestat tungsbräuche sind in den einzelnen Gegenden verschieden. Es ist
allgemein gebräuchlich, den Todten zu waschen, in Linnen zu hüllen und ihm seine besten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch