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heraus, denn sie machen meist auf dem Markte ihr Glück. In den Alpen geschehen diese
Zusammenkünfte (neäee) vielfach zum Behufe der Brautschau. In dieser Hinsicht hat der
„Mädchenmarkt" von Gaina (auf einer Alpe des Torda-Aranyoser Comitats, in der
Richtung auf Bihar) einen besonderen Ruf.
Gelegenheitsgebräuche, Aberglaube. — An gewisse Tage knüpft sich dem
Rumänen irgend ein besonderer Aberglaube und da läßt er am liebsten die Arbeit ruhen.
Am Dienstag z. B. spinnen die Frauen nicht, weil sie sonst der Geist Martolea tödten
würde. Am Freitag kämmen sie sich nicht und fegen nicht, da sie Sta. Vmere (heiliger
Freitag) mit Kopf- und Augenschmerzen strafen würde. An einzelne Wochen- oder Feier-
tage knüpfen sich gewisse abergläubische Gebräuche. So wird am Weihnachtstage die wrea
getanzt, obgleich sie glauben, daß sie dann ihr Schutzengel auf sechs Monate verlassen
werde. Die turca ist ein holzgeschnitzter Hirschkopf, das Geweih wird mit Bändern und
Perlenschnürcn aufgeputzt, die Ohren mit Glöckchen behängt, die Kinnladen sind mit
Bindfaden am Halse befestigt, so daß sie auf einen Zug am Faden zu klappern und mit
den angehängten Schellen zu klingeln beginnen. Der Turca-Tänzer stülpt sich diesen
Hirschkopf über das Haupt und tanzt so bei allen Bauernhäusern, wofür er Geschenke
bekommt. Am Vorabende des Neujahrstages sind die Pflug- und Stier-Kolindas
gebräuchlich. Am Faschingdienstag gibt es eine Menge Spaß. Da Pflegen sie vom nächsten
Berge herab die Namen der ledig gebliebenen Mädchen auszurufen. Interessant ist der
Osterbrauch prisealit. Da constituireu sich die Bursche als Tribunal und bestrafen die
Bursche, die in den strengen Fasten ein Mädchen geküßt oder ein Sträußchen aufgesteckt haben.
Der Richter sitzt auf einem Sessel im Flurgang der Kirche. Der Delinquent wird ihm
vorgeführt und, wenn strafbar befunden, auch verurtheilt, meist zu Stockschlägen. Die
Übrigen ziehen ihn nieder und vollstrecken das Urtheil. Zu Pfingsten putzen die Bursche
einen Ochsen heraus und ziehen mit ihm von Haus zu Haus. Am St. Theodorstage
schließen die Burschen ewige Kameradschaft, welche „Kreuzfreundschaft" heißt. Am Tage
St. Johaunis des Täufers binden sie einen Kranz aus Binsengras und werfen ihn auf
das Hausdach. Wessen Kranz herabfällt, wird sterben. Am St. Georgstag legen sie einen
Dornenzweig ins Fenster gegen die bösen Geister.
Die Vorbedeutungen spielen bei dem rumänischen Volke eine große Rolle.
Mannigfaltiger Aberglaube knüpft sich an die Thierwelt. Der Kukuksruf bedeutet Reich-
thum und langes Leben oder das Gegentheil. Die Vermehrung der Spatzen bedeutet
Hungersnoth. Fliegt ein Rabe krächzend über das Dorf, so hat man Pestilenz zu erwarten.
Unter den Schafen zu spinnen oder vom Wolfe zu sprechen, ist nicht rathsam.
Auch die Botanik des Volkes ist sehr reich. Sie muß namentlich bei dem Quack-
salbern herhalten. Über einzelne Bäume und Blumen gibt es eine Menge Legenden. Der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch