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Eine Rundtour durch das Comitat beginnt man am besten in dem nach Hermann-
stadt bestimmten Waggon des bequemen Arader Schnellzuges, der in der Station Alvincz
dem Alvincz-Rvthenthnrmer Zug angehängt wird. In kaum einer halben Stunde ist das
Städtchen Mühlbach (Szaß-Sebes) erreicht. Es hat 7676 Einwohner, die Mehrzahl
Rumänen, doch hat die einst durchaus deutsche Stadt sich ihren deutschen Charakter
äußerlich völlig gewahrt. Die evangelische Pfarrkirche ist eines der ältesten und schönsten
Baudenkmäler Siebenbürgens. Ihre Baugeschichte ist zugleich ein interessantes Capitel
der Stadtgeschichte. Im Jahre 1438 wurde Mühlbach durch die Türken völlig zerstört.
Alle Waffenfähigen schlössen sich im festen Thurm der Kirche ei», da schichteten die Türken
ringsum Holzstöße auf und steckten diese in Brand. Eine ungeheuere Rauchwolke umhüllte
den Thurm, immer schwächer wurde das Jammergeschrei der Eingeschlossenen, und
ein einziges Bürschlein konnte später halbtodt den Flammen entrissen werden.
Zwanzig Jahre blieb der Gerettete in türkischer Sclaverei, dann kehrte er heim und
schrieb in lateinischer Sprache jene Schilderung des türkischen Reiches nieder, die von
Sebastian Frank ins Deutsche übersetzt wurde und der Welt die ersten ausführliche»
Mittheilungen über die Greuel des Erbfeindes der Christenheit machte. Seit dieser
Verheerung konnte Mühlbach seinen früheren Wohlstand nicht wieder erreichen; die
sächsische Bevölkerung schmolz zusammen und konnte nicht eiumal den begonnenen Umbau
der Kirche vollenden. Neben der Kirche steht das ansehnliche Gebäude des evangelischen
Unter-Gymnasiums, an dem zeitweilig viele treffliche Professoren gewirkt haben; wir
nennen blos den Dichter und hervorragenden Culturhistoriker Friedrich Wilhelm
Schuster, jetzigen evangelischen Pfarrer zn Broos, und Johann Wolff, den Erforscher
des sächsischen Dialektes.
Von Mühlbach führt eine gut gehaltene Bergstraße am Mühlbach aufwärts
nach Petersdorf (Peterfalva), mit 251l) Einwohnern, Ziegelfabriken und der
größten Papierfabrik Siebenbürgens, dann nach Szäßesör , mit den Trümmern
einer mittelalterlichen Burg. Der Eisenbahn entlang erreicht man südöstlich das
von schönen Getreidefeldern umgebene Renßmarkt (Szeredahely), nnterhalb dessen
in schöner Gemarkung, von trefflichen Weingärten umgeben, das stattliche Groß-
Pold (Nagy-Apold, 2375 Einwohner) erscheint. Zur Weinlese halten hier viele Leute
aus Hermannstadt nnd Umgebung die Tranbenenr. Von hier steigt man über die
Wasserscheide des Mühlbaches und Zibiuslüßcheus in das Zibinsthal hinab, doch muß
man sich unterwegs erst durch das von Rumänen bewohnte Thal der Eernavoda
durchwinden, wo aus allen Querthälern Dörfer hervorlugen, denen der kleine Jndustrieort
Szelistye als Mittelpunkt dient. Die meist arme Dorfbevölkerung lebt vom Viehhüten
und Holzfällen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch