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Im XIV. und XV. Jahrhundert spielte das in kräftigen Zünften organisirte
Gewerbe eine große gesellschaftliche und wirthschaftliche Rolle. Im Jahre 1370 gab es
hier 19 Zünfte mit 25 selbständigen Gewerbezweigen. Wir erwähnen davon unr die
Goldschmiedezunft, deren prächtige Arbeiten zu den Zierden unserer Museen gehören.
Die Nachrichten über den mächtigen Orienthandel scheinen wohl etwas übertrieben zu
sein, doch hatte das sächsische Gewerbe im Mittelalter sicherlich eine beherrschende
Stellung nicht nur in Siebenbürgen, sondern auch in den angrenzenden Theilen der
Balkanhalbinsel. Dieses Absatzgebiet blieb ihm auch nach verschiedenen Erschütterungen
erhalten, bis schließlich iu den letzten Jahrzehenten die Eisenbahnen die Gegend mit
Fabrikswaare überschwemmten und der Zollkrieg mit Rumänien ansbrach. Dieser war
ein empfindlicher Schlag für das Kleingewerbe. Trotz des Wachsthums der Bevölkerung
nahm die Zahl der Handwerker um 200 ab, insbesondere kamen die einst blühenden
Innungen der Kürschner, Seifensieder, Lein- und Wollenweber nnd Goldschmiede
gänzlich herab. Immerhin konnten einige Gewerbe, indem sie die motorische Kraft des
Elektricitätswerkes benützten, die Unguust der Zeiten überwinden, so die Feintuchweber,
Möbeltischler und besonders die Buchdrucker. Einen großen Aufschwung nahm zuletzt
auch die Salamifabrieatiou, die sich schon den Wiener und Prager Platz erobert hat.
Für die kleineren Gewerbe sind noch immer die drei Jahrmärkte wichtig, auf deneu das
cousumireude Pnblicum der Umgebung und von jenseits des Harbachs in seinen bnnten
Trachten zusammenströmt.
Sehr entwickelt ist in Hermannstadt das Creditwesen. Die Geldinstitute, die in den
letzten Jahren sehr erstarkt sind, verwenden ihren Neinertrag großentheils zu Culturzwecken.
Das älteste ist die Allgemeine Sparkasse, die im Jahre 1841 durch den damaligen
Hermannstädter Senator Friedrich Michael Herbert gegründet wurde und jetzt ein Ver-
mögen von über 1'/? Millionen Gulden besitzt. Sie hat bereits über Million Gulden
für öffentliche Zwecke geopfert, die 1873 gegründete Bodencreditanstalt aber etwa
150.000 Gulden. Erstere unterstützt namentlich die Schulen und die Krankenpflegeanstalt
der evangelischeu Kirchengemeinde, die andere die Landwirthschaft. In bescheideneren
Grenzen sncht der „Spar- und Vorschußverein" neben gegenseitiger wirthschaftlicher
Aushilfe ähnliche Cnltnrzwecke zu fördern, während die „Vereinsbank" agrarische Zwecke
verfolgt. Neben diesen deutschen Geldinstituten, zu denen noch eine wechselseitige Lebens-
und Feuerversicherungsgesellschaft gehört, ist die „Albina" wirksam, eine Schöpfung der
Rumänen, die auf industriellem und finanziellem Gebiete ein reges Streben entwickeln.
Hermannstadt ist, wie in früheren Zeiten, auch jetzt der Culturmittelpunkt des
deutschen Elements in Siebenbürgen, aber auch der Nachwuchs der griechisch-orientalischen
rumänischen Intelligenz findet hier die Gelegenheit und den Boden, nm sich cnltnrell zu
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch