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im Sonnenglanze blitzen. Etwa in der Mitte des Zuges fahren zwei sechsspännige Wagen.
Im ersten sitzt der die Installation vornehmende Dechant mit dem Cnrator des Bezirkes, im
zweiten, der mit Blumen und Laubgewinden geschmückt ist, der neue Pfarrer mit seiner
Familie. Vor der Kirche erwartet der Kirchenrath nnd die Gemeinde den neuen Pfarrer
entblößten Hauptes. Kommt der Pfarrer aus einem anderen Ort, so steigt er aus, sobald
der Zug die Gemarkung erreicht, verrichtet ein Gebet und segnet die Gemarkung. Die
Gassen des Ortes schmücken sich festlich. An die Hausthore sind Tannen oder Birken-
zweige gesteckt, die Hansfronten mit Blumen- und Laubgewinden behängen. Unter
Pistolengeknall und Mörserkrachen trifft der neue Pfarrer vor der Kirche ein, wo ihn der
Älteste der Kirchenväter mit einer Willkommrede empfängt. Nach der Installation nnd
dem Festgottesdienst findet ein Gastmahl statt, wobei die Speisen und Getränke von den
schönsten Frauen und Mädchen des Dorfes aufgetragen werden und gewisse Lieblings-
speisen des Volkes („geschnidden Dich-Sopp", „Reisekächen", „Buumsträtzel") obligat
sind. Die Festtafel dauert in der Regel bis fünf Uhr nachmittags, wo der installirende
Dekan eine stimmungsvolle Schlußrede hält.
Gesell iges Leben. — Der neue Pfarrer nimmt seine Schäfchen sofort in seine
Hut. Vor Allem überzeugt er sich von dem Zustande des kirchlichen Gesangs- und Musik-
chores, da der sächsische Bauer am Sonntag auch Kirchenmusik hören will. Es gibt keine
sächsische Dorfkirche, wo nicht der Schullehrer Sonntags irgend ein, wenn auch noch so
einfaches Musikstück zur Aufführung brächte. In vielen Gemeinden bilden die jungen
Leute Gesangsvereine und ganze Volksorchester. Der Pfarrer widmet seine Fürsorge nicht
nur den Schulen, sondern auch dem Leseverein des Dorfes und den „Bruder- uud
Schwesterschaften", dieser interessantesten Institution des Sachsenvolkes, welche unmittel-
bar der Aufsicht und Obsorge des Pfarrers und der Kirchenväter untersteht. Die Bruder-
und Schwesterschaft vereinigt die männliche und weibliche Jugend der Gemeinde, soweit
sie der Schule entwachsen und confirmirt ist. Früher gab es beide Arten dieser Vereine
nicht nur iu den Dörfern, sondern auch in den Städten. Ihr Zweck ist, die sittliche
Erziehung der Jugend zu fördern, und die Ordnung ihrer verschiedenen Angelegenheiten
im Schoße der Vereinigung zu bewirken. Bruderschaften und Schwesterschaften haben
beide ihre besonderen Statuten. Bei den Burschen steht an der Spitze der „Altknecht",
bei den Mädchen die „Altmagd". Pünktlicher Kirchenbesuch, strenge Einhaltung der
Statuten und der gemeinsam gefaßten Beschlüsse, Pflege der Bescheidenheit und Redlichkeit,
Wahrung des Austandes in Tanz- und Spinnstube, das find so die Ziele dieser segens-
reichen Einrichtung.
Die Nachbarschaft. — Während die Bruder- und Schwesterschaften sich um die
sittliche Erziehung der Dorfjugend bemühen, suchen die Nachbarschaften, besonders in
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch