Seite - 458 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (7), Band 23
Bild der Seite - 458 -
Text der Seite - 458 -
458
in die Nachbarschaftseaffe und wurden zum allgemeinen Besten verwendet. Die Strafen
erstreckten sich sogar auf das Benehmen in der Gesellschaft. Auf Fluchen, Lügen, Ver-
leumden, ja selbst unziemliche Ausführung bei geselligen Zusammenkünften und Festen der
Nachbarschaft waren gewisse Bußen gesetzt. Materielle und moralische Unterstützung des
Einzelnen durch die Gesammtheit und umgekehrt, und demgemäß thatkräftige Förderung
des Gemeinschaftsgefühls, Bekundung aufrichtiger gegenseitiger Theilnahme in Freud und
Leid: das ist das schöne und hochbedeutsame Princip des Zusammenlebens in der Nach-
barschaft. Hat etwa einer der Nachbarn ein Haus oder eine Scheune zu bauen, so hilft
ihm die ganze Nachbarschaft mit unentgeltlicher Händearbeit. Selbst zu den Heiraihskosten
trägt die Nachbarschaft bei und erscheint als solche im Hochzeitshause zu Gaste. Ist iu der
Gemeinde eine größere öffentliche Arbeit zu leisten, so geht die Aufforderung an die einzelnen
Nachbarschaften. Nachbarschaftsweise wird an bestimmten Tagen das heilige Abendmahl
genommen, wobei in manchen Gemeinden die schöne Sitte herrscht, daß am Vorabend,
dem „Versöhnungsabend", die Mitglieder der Nachbarschaft zusammenkommen, um für
Beleidigungen Abbitte zu thuu und Zwist jeder Art zn schlichten. Stirbt ein Mitglied oder
seine Frau, so nimmt die ganze Nachbarschaft am Grabgeleite theil.
Das sächsische Hans. — Zwischen dem Alt und den Kokelflüssen giebt es so
manches uralte Bauernhaus, solid aus Stein gebaut, mit der bezeichnenden „Laube" und
dem kegelförmigen runden Schornstein. Aber neben den Denkmälern der alten Zeit wird
man selbst in diesen weltentlegenen Thaldörfern von vielen Anzeichen des modernen Fort-
schrittes überrascht, sogar von gut gepflasterte« Trottoirs, wie sie manche Provinzstadt
nicht ausweise» kauu.
Das sächsische Bauernhaus wendet seine schmale Giebelwand immer der Gasse zu
und erstreckt die Langseite in den Hos hinein. Der Hofseite entlang ist die breite offene
„Laube" vorgebaut. Ihr als Wand ausgemauertes Geländer ist oben meist mit den
Lieblingsblumen der Sachsen vollgestellt, deren Pflege den Mädchen oder Frauen obliegt.
Unter der Laube befindet sich auch die Thüre des Kellers, in dem der Sachse nicht nur
Wein, Obst und Grünzeug, sondern oft auch sein gerade außer Gebrauch befindliches
Wirthschastsgeräth aufbewahrt. Von der Laube tritt man ins Vorzimmer („Vorhaus"),
welches das Haus in zwei Theile theilt. Im Vorzimmer stehen sehr wenig Möbel. Es ist
mehr ein Verwahrnngsort für Dinge, die immer znr Hand sein sollen. An den Wänden
lehnen die Hafer- und Mehlsäcke. Rechts und links einander gegenüber öffnen sich zwei
Thüren, die eine in die vordere, größere, die andere in die rückwärtige, kleinere Wohnstube;
neben dieser ist die „Baflisch-Kammer" (Speckkammer), wo es nie an reichlichem Speck
fehlen darf. In der Wohnstube steht, wo noch kein städtischer Einfluß die Dinge verändert
hat, jedesmal liuks von der Thüre der auf breiter Herdplatte aufgebaute Kachelofen, und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Band 23
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (7)
- Band
- 23
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.13 x 23.25 cm
- Seiten
- 622
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch