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folgenden Versen, welche in wörtlicher Übersetzung den eigentlichen Gedanken nicht ausdrücken
können, da im Deutschen „die" Sonne weiblichen Geschlechtes ist:
„Gestern stieg der Sonnenheld (sunee) traurig auf und ging trübe zur Ruhe.
Niemand wagt ihn um den Grund zu fragen, außer seinem Schwesterchen Jelica. Diese
fragt: Du lieber leuchtender Sonnenheld («Ai-Hnno sunce), warum stiegst du traurig
auf und gingst so trüb zur Ruhe? Ihr Bruder antwortet: Bei Gott, mein Schwesterchen,
wenn du mich fragst, so will ich dir die Wahrheit sagen. Gestern Abends trank ich Wein
mit den Türken, gerieth in Streit und erschlug des Pascha Sohn. Nun verlangt der
Pascha zur Sühne meinen Kops, ich aber habe keinen Kopf, den ich zur Sühne geben
könnte, darum war ich traurig beim Aufgang und ging trübe unter."
Nodilo vergleicht die fest umrissene Plastik in diesem Gedichte mit den vagen und
wirren Angaben von Daten in den eigentlich historischen Epen und folgert daraus, daß es
alten mythologischen Ursprunges sei. Er vergleicht diese Gattung unserer Volkslieder mit der
Mahabharata und Ramayana, während er die Heldenlieder der Rigveda an die Seite stellt.
Auch in den Sagen und Märchen, sowie im Volksaberglauben findet Nodilo eine
reiche Quelle für die Erkenntniß der Urreligion unseres Volkes.
Sagen. Bezüglich der Sagen müssen wir ebenfalls auf das in diesem Werke Gesagte
hinweisen. Die gelehrte Behandlung des vorhandenen Materiales ist noch in Vorbereitung.
Die südslavische Akademie der Wissenschaften hat das folkloristische Material zu sammeln
und zu sichten begonnen, auch liegt schon manche sehr verdienstvolle Bearbeitung vor,
aber eine populäre Zusammenfassung könnte der Gefahr noch nicht entgehen, oberflächlich
und mangelhaft zu erscheinen.
Familienleben. Der Gatte ist nicht nur dem Namen nach das Oberhaupt der
Familie; er übt auch eine wirkliche und anerkannte Autorität im Hause aus. Das
Abhängigkeitsverhältniß der Frau ist stärker ausgeprägt, als bei anderen Völkern. Immer-
hin erleidet dieser allgemein gehaltene und im Großen und Ganzen auch richtige Satz
verschiedene Modifikationen, je nach den verschiedenen Gegenden, in denen unser Volk lebt.
Im Küstenlande, wo der Mann meist auswärts weilt und die Frau sich inzwischen durch
eigene schwere Arbeit selbst erhalten und dem Hause vorstehen mnß, entwickelt sich eine
größere Selbständigkeit der Frau; in anderen Gegenden, besonders an der unteren Save,
herrscht die Unsitte, daß die auffallend schönen Bauernmädchen, nachdem sie sehr viele
Lebenserfahrungen gesammelt haben, im sechs- oder siebenundzwanzigsten Lebensjahre
sechzehnjährige Bursche heiraten. Es ist begreiflich, daß den schönen, stattlichen,
abgeklärten und gesetzten Weibern diese grünen Jungen nicht imponiren und die eheherrliche
Autorität erst dann beginnt, wenn der halbwüchsige Junge zum stattlichen Manne
herangewachsen, seine Ehehälfte aber zum ältlichen Weibe eingeschrumpft ist. In der
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Kroatien und Slawonien, Band 24"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kroatien und Slawonien, Band 24
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Kroatien und Slawonien
- Band
- 24
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.19 x 22.65 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch