Seite - 256 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Kroatien und Slawonien, Band 24
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erkennen. Von den alten Thoren hat sich keine Spur mehr erhalten, denn auch hier dringt
das Leben der geschäftigen Stadt vor, und die trennenden Schranken der Vergangenheit
weichen den breiten Verkehrswegen der Gegenwart.
Das Capitel, ehedem eine befestigte Stadt für sich und mit der bürgerlichen auf dem
Gric oft im feindlichen Gegensatze, war früher durch den jetzt in unterirdischen Canälen
geborgenen Medvescak-Bach von der gegen West aufsteigenden Oberstadt getrennt. Hier
auf dem Gric-Hügel, der die Unterstadt um etwa 40 Meter überragt, entwickelte sich, von
festen Mauern umgeben, das bürgerliche Agram als königliche Freistadt. Obwohl auch
hier nur noch im Steinthore und an einzelnen Stellen geringe Überbleibsel von der alten
Feste erhalten sind, so erinnern doch die engen Gassen daran, wie sparsam man den Raum
ausnützen mußte. Eine feierliche Stille umfängt uns, sobald wir aus dem geschäftigen
Getriebe der Unterstadt mittelst Drahtseilbahn auf der Stroßmayer-Promenade angelangt
sind. Dieser prächtige Spazierweg läuft knapp am Rande des steilen Abhanges hin, der
sich zur Jlica, der Hauptverkehrsader der Unterstadt, hinabsenkt. Er ist mit schattigen
Kastanien bepflanzt und eröffnet einen Blick auf die ganze Unterstadt. Einem Reliefbild
gleich sieht man das Häusergewirre liegen, aus dem sich in markanter Weise der weiße
Palast des neuen Theaters und das neue Palais der Bankinstitute herausheben. Darüberhin
umfaßt der Blick die Ebene bis zum silbernen Bande der Save, und noch in duftiger Ferne
erkennt man das steile Horn des Klek bei Ognlin, die Ausläufer der Alpen gegen West,
ja bei günstiger Witterung selbst die bosnischen Gebirge mit der Pljesivica an den
Plitvicer Seen und angeblich den Velebit. An der Stroßmayer-Promenade befindet sich
nur eine Reihe von Gebäuden; am Westende erheben sich das neue Lyceum, eine Schule,
die nach ihrem Lehrplane beiläufig einem Mädchengymnasium entspricht und das
meteorologische Observatorium. In der Mitte der Promenade ragt der „Feuerthurm"
hervor, einst die Feuerwarte der Stadt, heute Signalstelle bei Feuersgefahr. Die Ostseite
nimmt der gewaltige Bau des Oberstädter Gymnasiums ein, ein Haus, das in der
Geschichte unserer Cultur große Bedeutung hat, denn hier befand sich seit dem Anfange
des XVII. Jahrhunderts der Sitz eines Jesuiteucollegiums uud das erste croatische
Gymnasium. Zum Collegium der Jesuiten gehörte auch die um das Jahr 1622 erbaute
Katharinenkirche, die, in enger Verbindung mit dem Gymnasium, dem Gottesdienste der
Schüler dient. In diesem Gebäude wurde auch vor einem Vierteljahrhundert die Universität
eröffnet, ehe ihre Erweiterung die Übersiedlung in die Unterstadt nothwendig machte. Im
vorigen Jahrhundert hieß dieses Gebäude das erzherzogliche Palais.
Von der Stroßmayer-Promenade gelangt man in die Herrengasse. Hier stehen, sowie
in der Nonnengasse, noch einige kleine Herrenhäuser aus der Zeit, als der Landadel im
Winter in die Stadt zu ziehen pflegte, um hier den Winter zuzubringen. Es gieng damals
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Kroatien und Slawonien, Band 24"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kroatien und Slawonien, Band 24
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Kroatien und Slawonien
- Band
- 24
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1902
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.19 x 22.65 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch