Seite - XIV - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

deutschen Politik gerate und nicht fremde Streitigkeiten zu den eigenen mache. Frankreich, welches er als die Wiege der freiheitlichen Ideen auf dem Kontinent bewun- derte, brachte er eine überaus freundliche Gesinnung ent- gegen, der er auch wiederholt kräftigen Ausdruck gab. Das Bündnis mit Deutschland hatte für ihn den höchsten Wert als Schutzwall europäischer Kultur und Gesittung gegen die Vorhut des Asiatismus in Europa und gegen Rußland. Für fast unüberbrückbar hielt er den Gegensatz zwischen diesem Reich und Zentraleuropa, und aus seinen Briefen gewinnt man die Überzeugung, daß schon vor einem Menschenalter die Erkenntnis der Unvermeidlich- keit des kriegerischen Zusammenstoßes mit dem Zaren- reich den Staatsmännern Österreichs in jener Zeit zum Gemeingut geworden war. Nur daß Rußland damals eben allein stand, daß Österreich-Ungarn mit den Westmächten die freundschaftlichsten Beziehungen unterhielt und Eng- land sicher nicht an die Seite Alexanders III. getreten wäre. Fürst Bismarck, dessen eiserne Gestalt in den hier veröffentlichten Briefen eine hervorragende Rolle spielt, wollte jedoch den Krieg mit Rußland vermeiden und seiner staatsmännischen Kunst ist dies damals auch gelungen. Aber den Keim zur Zwietracht zwischen den Zentral- mächten und dem Zarenreich konnte er nicht ausrotten und so brach die Katastrophe nur in viel fürchterlicherem, für Deutschland und Österreich-Ungarn verhängnisvollem Umfang im Jahre 1914 herein. Wenn nun diese Briefe der Öffentlichkeit übergeben werden, so geschieht dies in erster Linie, weil sie ein historisches Dokument von höchstem Wert bilden — nur vergleichbar mit dem Tagebuch des Kaisers Fried- rich III., welches Professor Geffken im Jahre 1888 ver- öffentlichte — und gewiß von größtem Interesse für die XIV