Seite - 7 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

Reichstadt, 28. Juni 1882 Lieber Herr Szeps! Da ich erfahre, daß Sie morgen von Paris zurück in Wien eintreffen, eile ich, Ihnen in einigen Angelegenheiten zu schreiben. Die Altensteiner Tragödie6 wurde in Ihrem Blatte viel und gründlich besprochen. Es war gut, das Publikum zu warnen und dasselbe auf die Grundsätze des Hochadels aufmerksam zu maehen, bei dem das krumme Pferd und das bis zum Tode gebrochene Mädchen aus den unteren Schichten in eine Kategorie gehören, nämlich zum Sport. Die unglaubliche Beschränktheit des alten Coudenhove, der seit nicht langer Zeit auch im Herrenhause über unser Wohl und Wehe beratet, gab der ganzen Angelegenheit einen interessanten Charakter, Beiliegend übersende ich Ihnen eine Abschrift eines Schriftstückes, das ich vor einigen Tagen erhielt. Der alte Graf Coudenhove ließ dieses gediegene Elabo- rat in schweren Mengen lithographieren und schickte es an seine Bekannten, besonders an Herrenhauskollegen; die durchstrichenen Stellen sowie auch die unterstriche- nen sind bis auf jeden Strich genau kopiert. Wenn man sich so dumm und schlecht benimmt, wie der edle Graf es in dieser Angelegenheit bewerkstelligt hat, dann schweigt man und belebt nicht von neuem eine schon ein- schlummernde Geschichte. Ich glaube, dieser offene Brief dürfte Sie unterhalten. Falls Sie ihn für das Blatt benützen wollen, bitte ich, es ohneweiters zu tun, nur absolut auch durch keine An- deutung erkennen zu lassen, daß Sie Ihn von mir erhielten, denn es würde mir dies nur viele Unannehmlichkeiten bereiten. 7