Seite - 11 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
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d i g, für die Sustentation des Kindes durch eine Lebens-
rente von jährlich fl. 1200, was ein Kapital von fl. 25.000
darstellt, zu Lasten des ihm zufallenden Pflichtteiles aus
der Verlassenschaft seiner seiigen Mutter zu sorgen.
Ich versprach ihm, zu einem billigen und gerechten Ab-
kommen die Hand zu bieten, erklärte aber obige Ziffer
für viel zu hoch gegriffen, da sie beinahe den vierten Teil
seines Pflichtteiles repräsentiere. Bald nach Geburt des
Kindes gab ich dem Hof- und Gerichtsadvokaten Ritter
von Winiwarter das Mandat, mit dem Rechtsfreund der
D. wegen der Sustentation des Kindes zu unterhandeln.
Dr. Berggrün stellte dem Dr. Winiwarter gegenüber das-
selbe Ansinnen, wie mein Sohn, d. i. jährlich fl. 1200. Um
daraufhin meinen Rechtsfreund zu überzeugen, daß dieser
Anspruch nicht im Verhältnisse zu dem Vermögen meines
Sohnes stehe, ließ ich ihn Einsicht nehmen in den Erb-
teilungsauftrag und die anderen gerichtlichen Erlässe in
der Verlassenschaft und überließ es ihm auf
Grund der tatsächlichen Verhältnisse
auf einen gerechten Ausgleich hinzu-
arbeiten. Die D. scheint sich in der fixen Idee gewiegt
zu haben, daß mein Sohn bei seiner Großjährigkeit Herr
eines bedeutenden Vermögens sein werde, deshalb wollte
sie seine Frau oder mindestens seine Mätresse werden und
scheint alles auf diese Karte gesetzt zu
haben.
Als ihr nach der Besprechung zwischen Winiwarter und
Berggrün, und aus einem Briefe, den ihr mein Sohn zirka
acht Tage vor der Katastrophe schrieb, der Sachverhalt
klar wurde, erkannte sie, daß ihre ganze Spekula-
tion mißglückt sei und sie tat, was viele andere
unglückliche Spekulanten vor ihr getan haben, sie ent-
schloß sich, sich das Leben zu nehmen; daß es nicht aus
Liebe geschah für den jungen Mann, den sie seit acht
Monaten nicht gesehen hatte, geht wohl am besten aus
dem diabolischen Raffinement hervor, mit dem sie ihren
Selbstmord zu einer wahren Katastrophe nicht nur für
den ehemaligen Geliebten und seinen Vater, sondern auch
für seine ganze unschuldige Familie machte.
Mein Sohn hat außer dem Fehler, sich mit der D. ein-
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Kronprinz Rudolf
Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Titel
- Kronprinz Rudolf
- Untertitel
- Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Autor
- Julius Szeps
- Verlag
- Rikola Verlag
- Ort
- Wien - München - Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.6 x 19.54 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Habsburger, Österreich-Ungarn, Monarchie
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918