Seite - 21 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

anderen leben. Man spielt mit dem Feuer: Verblendung, Fanatismus, Dummheit, grenzenlose Schlauheit, Charak- terlosigkeit, Mangel an Patriotismus und großösterrei- chischen Gefühlen und unbegrenzte Herrschsucht haben sich da vereinigt, um gegen die moderne Kultur, gegen die solide Macht der gebildeten Mittelstände anzukämpfen. Elemente brachte man in Bewegung und Geister wurden herauf- beschworen, die zu bannen man nicht mehr imstande sein wird. Sehr trüben, häßlichen Zeiten gehen wir entgegen; fast sollte man meinen, das alte Europa hätte sich überlebt und ginge nun seinem Zerfalle entgegen. Eine große gewaltige Reaktion muß kommen, soziale Umwälzungen, aus denen dann nach langer Krankheit ein ganz neues Europa em- porblühen wird. Herzlichsten Dank auch für die Ubersendung des Bu- ches. Für einen Brief über Frankreich, den Sie einem Schreiber diktieren würden, wäre ich sehr dankbar. Wenn ich Mitte Dezember nach Wien komme, werde ich Ihnen viel mitzuteilen haben. Mit herzlichsten Grüßen Ihr Rudolf Prag, 28. November 1882 Lieber Herr Szeps! Innigsten Dank für Ihren so interessanten Brief über französische Zustände, der mich sehr gefreut hat. Schon lange wünschte ich mir, genaue Daten über die Vorgänge in Frankreich zu erhalten, und nun verdanke ich Ihrer Güte einen so lehrreichen und erschöpfenden Aufsatz. 21