Seite - 29 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

es in Italien sehr gärt und man den König von Seite der Umsturzpartei vor die Wahl stellen will, entweder Öster- reich zulieb energisch einzuschreiten und sich dadurch unpopulär zu machen, oder sich an die Spitze der Bewe- gung gegen Österreich zu placieren, was ihn dann in ge- fährliche Abenteuer stürzen kann. Ich muß zur silbernen Hochzeit" nach Berlin, soll auch Bismarck sprechen, — bitte, beides noch niemand gegen- über mitzuteilen. Falls ich Bismarck sehen soll und kann, wäre es gut, wenn meine Entrevue ganz verschwiegen bliebe; es würden mir sonst nur Unannehmlichkeiten blühen. Interessant werden wohl die Tage in Berlin sein und gar viel werde ich erfahren, was von hoher Bedeu- tung für uns ist. Doch jetzt zur Sache. Ich muß Sie heute auf einige eigentümliche Dinge aufmerksam machen. Man ist sehr aufmerksam und mißtrauisch mir gegenüber und ich sehe von Tag zu Tag mehr, mit welch engem Kreis von Spio- nage, Denunziation und Überwachung ich umgeben bin. Seien Sie, falls man Sie über Ihre Beziehungen zu mir befragt, nur sehr vorsichtig. Auch wenn Sie Nehammer" sprechen oder ihm Briefe und Aufträge übergeben, lassen Sie keine Vorsicht außer acht und beobachten Sie auch ihn, ob er sich keine Ungeschicklichkeit zuschulden kom- men läßt. Haben Sie volles Vertrauen in Dr. Frischauer18? Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich Grund habe zu glauben, man kenne unsere Beziehungen In hohen Kreisen; seither habe ich greifbare Vermutungen gesam- melt. Futtaky" sagte mir: Wodianer hätte ihn vor wenigen Tagen gefragt, ob es wahr sei, daß Sie so viel in die Wiener Burg kämen; und Wodianer ist Bankier, soviel ich weiß des Hauses Erzherzog Albrecht, kommt aber sicherlich viel hin. Ich kenne leider nur zu gut die Kampf- weise meiner Gegner ; zuerst wird sondiert, angeschlichen, 29