Seite - 60 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

Laxenburg, 7. September 1883 Lieber Szeps! Innigsten Dank für Ihren Brief; beiliegend das ge- wünschte Pamphlet ; es scheint meiner Ansicht einer ganz untergeordneten Feder zu entstammen; kehrt die Spitze weniger gegen mich und ist so wie alle derlei Sachen mit den gewöhnlichen Drohbrief-Phrasen angefüllt. Ich muß meinen Brief schließen, da ich wenig Zeit habe. Mit vielen Grüßen Ihr Rudolf Briefbeilage Mahnrufe an alle Arbeiter und Männer des Volkes! Unsere Blutsauger und Tyrannen arbeiten unablässig, das nach Befreiung strebende Volk noch mehr in das Joch der Sklaverei zu zwängen, und Ihr habt nichts als Seufzer und Klagelaute gegen jede neue Schurkerei unserer Unterdrücker. Diejenigen, welche sich als Volksvertreter ausgeben oder die öffentliche Meinung vertreten wollen, mästen sich von unserem Mark und Blut. In elender Hundedemut wälzt sich dieses heuchlerische Eunuchen- tum vor dem Tyrannen „patriotisch" im Kote gemeiner Kriecherei. Seht Euch diese „Volksmänner" an, welche immer das Wohl des Volkes im Munde führen und dabei den Kot eines Gottesgnadenbummlers brühwarm ver- zehren würden, wenn sie sich damit einen Orden oder einen allerhöchst gnädigen Schafblick verdienen könnten. Ekelhaft ist das Treiben dieser Mamelucken bei dem „freu- digen Ereignisse", wo sich niemand freut als das privi- legierte Diebsgesindel in Frack und Uniform. Wer sollte sich auch freuen. Gewiß nicht das Volk. Der Schwindel kostet wieder einige Millionen Gulden und das Volk hat kaum trockenes Brot für seine Kinder. Wie viele Tau- 60