Seite - 64 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

In Homburg fand er mehr Rückhalt und bindendere Versprechungen als in Wien. Man sieht die Dinge in Preußen von einem viel größeren und ernsteren Stand- punkte aus an als in Deutschland und ist daher auch be- deutend kriegerischer gestimmt. Man erwartet von den Zuständen am Balkan, daß sie uns zur baldigen Entschei- dung, zum Kriege, nämlich mit Rußland führen werden. In Wien, d. h. im Ministerium des Äußern wurde der König abermals kühl empfangen und man riet ihm, mit seinen unbedeutenden inneren Verlegenheiten nicht so viel Aufhebens zu machen, nicht alles so schwarz zu sehen; ruhig in seiner bis jetzt eingehaltenen politischen Rich- tung zu verbleiben, ohne aber einen großen Skandal zu provozieren. Das ist leicht gesagt, denkt sich der arme König und er erklärte dem Kaiser sowie auch Graf Kál- noky offen, es gebe für ihn nur zwei Wege, entweder umzukehren und sich der russischen panslawistischen Politik in die Arme zu werfen oder gut österreichisch zu bleiben und den Kampf gegen sein eigenes Volk aufzu- nehmen, dazu aber brauche er eine Konzen- trierung österreichischer Truppen an seiner Grenze. Darüber ist man nun hier sehr entsetzt. Die Zukunft wird uns lehren, ob aus den Prophezeiungen des Königs Milan bald blutiger Ernst entstehen wird. Eine andere Angelegenheit noch hätte ich Ihnen gern mitgeteilt, doch will ich Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen und habe selbst auch keine mehr zur Verfügung. Aus Steiermark werde ich Ihnen darüber schreiben, es handelt sich da um eine lokale Wiener Angelegenheit. Mit vielen Grüßen von meiner Frau und mir bin ich Ihr treuer Rudolf 64