Seite - 72 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

westlichen Gouvernements des Reiches herumreisen. Der Korrespondent nennt die Namen dieser Faktoren nicht, da er nicht sicher sei, ob er sie richtig angeben werde. Der „Kijewliania" gelangt hierauf zu dem Schlüsse, daß diese Gerüchte von der Vorbereitung eines Aufstandes in Ruß- land von Galizien ausgehen und daß eine solche Vorbe- reitung nur hier möglich sei. Die Polen (in Galizien), schließt das russische Blatt, trachten, ohne wie gewöhn- lich sich von jemandem die Erlaubnis eingeholt zu haben, auch unser Volk in ihre Pläne hineinzuziehen. Wir glauben wahrlich nicht, daß sie auf die Mitwirkung nicht nur unseres, sondern nicht einmal ihres eigenen Volkes rech- nen könnten; wir hoffen, daß die bitteren Erfahrungen der Jahre 1847—1848 und 1863—1864 sie von der Wieder- holung der alten Sünden abhalten werden. Wir wollen übrigens sehen, was kommen wird. In dem zweiten Arti- kel kommt der „Kijewliania" auf die galizische polnische Presse zu sprechen, welche nicht aufhöre, von russischen Kriegsplänen gegen Österreich-Ungarn zu faseln, und schließt wörtlich: „Von dem polnischen Wahnsinn (ssu- masbrodstwo), welchen sie Patriotismus nennen, kann man übrigens alles erwarten. Wir werden uns nicht wun- dern, wenn in den nächsten Tagen in diesen (galizisch- polnischen) Blättern folgendes Telegramm deren Spezial- korrespondenten aus dem Städtchen Potschajew erschei- nen wird: „Berufet die polnischen Schützen ein. Die Poltschajewer Mönche haben Österreich-Ungarn den Krieg erklärt und bereits ihre Klosterdiener an die Grenze entsandt. Verzaget nicht: unsere tapferen Schützen werden Österreich-Ungarn retten. Der Schatten Sobieskis wird ihr Anführer sein." Der Zweck dieser Kundgebungen der beiden russischen Regierungsorgane ist, zu zeigen, daß die russische Regie- rung vor einem polnischen Aufstande keine Scheu habe und dann auch die österreichisch-ungarische Regierung auf die Vorgänge in Galizien aufmerksam zu machen. In den hiesigen Regierungskreisen beginnt man wegen der Vorgänge in Galizien endlich ernst besorgt zu sein. 72