Seite - 75 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

Für uns geht hier alles gut! Meine Stellung ist eine in jeder Beziehung angenehme. Sonst sieht es politisch trübe aus. Tisza war vorgestern lange bei mir; Futtaky aucli. Das liberale Ungarn kämpft gegen dieselben gewaltigen reaktionären Kräfte einen har- ten Kampf, denen in dieser Reichshälfte das liberale Prinzip unterlegen ist. Tisza scheint auf das Äußerste gefaßt zu sein; er ist eisig ruhig, kalt, doch ein böses Lächeln spielt um seine Lippen, wenn er von den hiesigen höchsten Kreisen spricht. Er hat es jetzt in vollem Maße erkannt, daß in den kroatischen und auch in den Oberhaus- Affairen man maßgebendsten Ortes nicht auf seiner Seite steht. Taaffe soll stark wackeln! Er wird keine Majorität mehr zusammenbringen ; man hat mir dies heute von gut infor- mierter Seite mitgeteilt. Mit den besten Grüßen von uns beiden Ihr Rudolf Briefbeilage Paris, den 4. Jänner 1884 Lieber Freund! Nicht ein Wort, nicht eine Zeile von Dir! Warum? Hoffe, daß alles wohl und gesund zu Hause und daß nicht irgend etwas Unangenehmes oder Störendes vorgefallen. Die Novelle Revue habe ich merkwürdigerweise nicht bekommen. Der Temps (Heim) hat vorgestern einen sehr ausführlichen Auszug gebracht. Man will wissen, daß diese Artikel von einer Frau, einer Gräfin Croix (einer Russin), geschrieben sind. Andere meinen Mme Ujváry und wieder andere, daß in Anbetracht, daß die letzten Partien starke politische und trockenere Färbung haben, niemand anderer als Beust an diesem Artikel mitgearbeitet hat. Übrigens soll Deutschland wegen diesem Artikel einige diplomati- 75