Seite - 82 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

Wien, 6. Februar 1884 Lieber Szeps! Besten Dank für Brief und Obersendung der so Interes- santen Beilagen. Was Sie über die Offiziersmenagen zu wissen wünschen, läßt sich in einigen Worten zusammenfassen: Es sind sehr hübsch und anständig eingerichtete Offizierskasinos, die jedes Regiment für sich hat ; fast alle haben das Geschirr in den Regimentsfarben. Das Menu bei diesen Dejeuners ist einfach, 2 bis 3 Speisen, sehr gut gekocht, doch mehr Hausmannskost; serviert wird durch eigens dazu be- stimmte Leute aus dem Mannschaftsstande. Was über die Mannschaftskost zu sagen wäre, ist wichtiger. Es ließe sich da vielleicht manches Interessante im großen Artikel über die Offiziersgagen sagen. Die Armee ist das einzige Bindemittel noch, welches in diesem Chaos den Reichsgedanken vertritt; sie ist großösterreichisch. Man muß sie schützen, pflegen und sie für sich gewinnen — das muß jetzt in diesen düsteren Zeiten die Bestrebung der Liberalen sein; das Offizierskorps bei uns ist fast aus- schließlich bürgerlich, liberal, kaiserlich und für einen mächtigen Staatsgedanken begeistert. — Ich glaube, daß in dieser Auffassung ein Programm liegt, welches nicht unterschätzt werden darf. Mit den herzlichsten Grüßen Ihr Rudolf Wien, 8. Februar 1884 Lieber Szeps! Da ich die Nachforschungen betreffs der Gagenerhöhun- gen der Offiziere sehr vorsichtig betreiben mußte, um mich nicht dabei zu verraten, dauerte es länger als erwünscht, bis ich alles erfahren konnte. 82