Seite - 84 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889

Wien, 15. Februar 1884 Lieber Szeps! Heute war der Polizeipräsident"0 bei mir und erfreute sich besonderer Geschwätzigkeit. Zu Ihrer eigenen Unter- haltung muß ich Ihnen einiges aus dieser Unterredung mitteilen. Nach Bastian wurde gleich, als die erste Zeitungsnach- richt bekannt wurde, geforscht, um ihn polizeilich zu be- handeln; er hatte sich schon salviert; und ist über Han- nover nach London geflohen. Nun wurde Baron Hellenbach in das Polizeipräsidium vorgeladen und einem kurzen Verhöre unterzogen, auch gab man ihm zu verstehen, daß, falls er nochmals derglei- chen polizeiwidrige Dinge unternehmen würde, ihm eine unfreiwillige Entfernung von Wien bevorstünde. Darauf brachte ich das Gespräch auf die Sozialisten. Alles zu schreiben, was mir da anvertraut wurde, ginge ins Endlose; als unterhaltendste Geschichte muß ich Ihnen einiges über die Liechtensteine91 mitteilen. Die Konventi- keln, zu denen Peukert" auch erschien, wurden bei Schnei- der in Währing abgehalten; Baron Vogelsang verschafite den beiden Fürsten diese sozialistischen Bekanntschaften ; dort entstand auch die bewußte Broschüre. Die Fürsten mußten viel zahlen, besonders ihrem Abgesandten, dem radi- kalen Arbeiter Strotz, der in ihrem Auftrage in die einzel- nen Fabriken ging, um sich über die Verhältnisse der Ar- beiter zu informieren und um zu hetzen. Die Sozialisten machten sich in der derbsten Weise über diese Patrone lustig, wußten ihnen aber doch eine hübsche Summe abzu- locken. Strotz, der der extremen Arbeiterpartei angehört, wurde jetzt abgeschoben. Als dies die Fürsten hörten, machte der eine dem Polizeipräsidenten in den Couloirs des Abgeordnetenhauses eine Szene ; der andere kam so- 84