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Wünschen unterwerfen soll. — Die Hauptpunkte dieses
Programms sind folgende: Vor allem wurde die Heraus-
gabe eines antisemitischen Tagblattes öfters in Beratungen
gezogen. Schönerer wollte 20.000 fl. zu diesem Zwecke
hergeben. Mechaniker Schneider sollte ebenfalls einen
größeren Beitrag liefern, vom Fürsten Schwarzenberg
erwartete man Beihilfe, und der deutsch-nationale sowie
der Reformverein sollten ebenfalls ihr möglichstes tun.
Doch Schneider entschuldigte sich mit Hinweis auf die
Unterstützungen, die er dem „Vaterland" zuwendet, die
beiden Vereine haben all ihre Geldmittel bei der Pattai-
wahl erschöpft, Schwarzenberg war nicht gewiß, zudem
unterblieb die Gründung des Tagblattes.
Ad 2 lag ein Vorschlag Zerbonis vor, der der Würdigung
besonders anempfohlen wurde. In den einzelnen Bezirken
Wiens sollten „Bürgervereine" mit der Tendenz des Re-
formvereines gegründet werden und besonders bei den
Wahlen tätig sein. Pattai jedoch trat diesem Antrage ent-
gegen. Zerboni, der für seinen „Volksfreund" bei der
Mariahilfer Wahl die gewünschte materielle Berücksich-
tigung seitens des nicht allzu freigebigen Pattai fand,
wollte mit Gründung dieser Vereine Pattais Einfluß
schwächen — sein Plan wurde verraten, ging jedoch in
anderer Weise durch. Es wurde beschlossen, daß die Anti-
semiten in den einzelnen politischen Vereinen der ver-
schiedenen Bezirke sich Eintritt verschaffen und daselbst •
nach ihren Kräften arbeiten sollen. Schönerer hat hiebei
sich bereit erklärt, die auflaufenden Mitgliederbeiträge aus
einem eigens zu bildenden Fonds zu bestreiten. Dieser Be-
schluß dürfte bald ausgeführt werden.
Ad 3. Schönerer setzte sich mit einigen Geistlichen in
Verbindung, um sich über die Ziele und Wünsche der
klerikalen Partei mit bezug auf die nächsten Reichsrats-
wahlen zu orientieren. Bis jetzt wurde die erwünschte
Einigung mit der klerikalen Partei noch nicht erzielt. Die
Antisemiten setzen auf die Reichsratswahlen Berge von
Hoffnungen, jeder der von ihnen kandidieren will, braucht
nur seine Kandidatur anzumelden und er wird schon ganz
ernst genommen. Allerdings muß er zuvor die Bereit-
willigkeit, zwei Drittel der Agitationskosten aus „Eigenem"
1 Kronprinz Rudolf, Briefe Q7
Kronprinz Rudolf
Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Titel
- Kronprinz Rudolf
- Untertitel
- Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Autor
- Julius Szeps
- Verlag
- Rikola Verlag
- Ort
- Wien - München - Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.6 x 19.54 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Habsburger, Österreich-Ungarn, Monarchie
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918