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64 Maria Magdalena, Martha und La^arns.
unterließ die Umarmung und dcn Kuß, mit denen die Juden geschätzte
Gäste begrüßten; er wusch Jesu die Füße nicht, und versäumte es,
dessen Haupt mit wohlriechendem Oele zu salben. Dadurch zeigte
Simon, daß er Jesum nicht aus Liebe und Hochschätzung, sondern
aus andern unedlen Absichten zu Gast geladen hatte. Dessen unge-
achtet setzte sich Jesus zu Tische. Während der Mahlzeit kam nun
Maria Magdalcna in den Speisesaal hinein. Beschämt über ihre
Sünden, getraute sie sich aber nicht, Jesu unter das Gesicht zu tre-
ten. Sie stellte sich rückwärts hin, und fiel ihm zu Füßen. Ihr
von Liebe und Reue uollcs Herz machte es ihr unmöglich, ein Wort
zu sprechen. Sie brach in einen Strom von Thränen aus; die Thrä-
nen fielen auf die Füße Jesu. Als sie es bemerkte, trocknete sie mit
ihren Haaren dieselben wieder ab, und küßte sie. Jetzt zog sie cin
Gefäß von Alabaster, welches mit einer sehr köstlichen Salbe gefüllt
war, hervor, und goß diese, weil sie sich nicht getraute, das Haupt
Jesu zu salben, über seine Füße, so, daß der ganze Speisesaal mit
dem größten Wohlgeruchc erfüllet wurde. Jesus ließ dieses Alles ge-
schehen, und auch der Pharisäer sah stillschweigend zu. Dieser, wie
die scheinheiligen Pharisäer alle, hielten dafür, daß man Sündern
nicht anders, als mit Verachtung und Abscheu begegnen dürfe. Er
dachte deßwegen bei sich selbst: „Wenn dieser Jesus, ein Prophet
wäre, so müßte er doch wohl wissen, daß diese Person eine Sün-
derin ist. Er würde nicht dulden, was sie an ihm thut!"
Jesus, der Herzensforscher, sah die argen Gedanken des schein-
frommen Mannes, und sprach deßwegen zu ihm: „Simon, ich habe
dir etwas zu sagen." Simon antwortete: .,Lehrmeister! sage es."
Jesus sprach: „Ein Schuldherr hatte zwei Schuldner. Der Eine war
ihm fünfzig, der Andere fünfhundert Silberstücke schuldig; da ihn aber
keiner bezahlen konnte, und er ihnen nun hätte Hab und Gut ver-
kaufen, oder sie in den Schuldthurm werfen können, so schenkte er
es dennoch Beiden. Was meinst du nun: welcher von Beiden wird
ihn mehr lieben?" Simon antwortete! „Ich denke derjenige, dem
er mehr nachgelassen hat." Jesus versetzte ihm: „Du hast recht ge.-
urtheilt." Nun wandte sich Jesus zu Magdalcna, und sagte weiter
zu Simon: „Siehst du dieses Weib? Ich bin in dein Haus ge-
kommen, und du hast mir nicht einmal cin Fußwasser gegeben. Sie
aber hat meine Füße mit ihren Thränen benetzt, und mit den Haa-
ren ihres Hauptes abgetrocknet. Du hast mich nicht mit dem ge-
wöhnlichen Kusse begrüßt; diese aber hat, seit dem sie da ist, nicht
aufgehört, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit
Del gesalbet; sie aber hat meine Füße mit köstlicher Salbe begossen.
Darum sage ich dir: ihr werden viele Sünden vergeben, weil sie
auch so viele Liebe hat. Wem hingegen weniger vergeben wird, der
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen