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Am 21. Dezember. 111
Als Jesus in der rührenden Anrede, die er nach dem letzten
Abcndmahle, am Vorabende seines Todes, an seine Apostel hielt,
sagte: er gehe nun hin zu seinem himmlischen Vater, um auch ihnen
einen Ort zu bereiten, damit sie ewig bei ihm wären, und am Ende
hinzusetzte: „ Ihr wisset, wo ich hingehe, und den Weg wisset ihr
auch!" so zeigte der lernbegierige Thomas sogleich im Namen aller
Apostel, daß sie diese Rede nicht verstehen, und sprach: „Herr!
wir wissen noch nicht einmal, wo du hingehest, wie könnten wir
den Weg dahin wissen!" Hierauf sagte Jesus: „Ich bin der Weg,
die Wahrheit und das Leben/- und erklärte ihnen durch diese Worte,
daß sie ihm, als dem vollkommensten Muster, beständig nachfolgen,
und seine Lehre erfüllen müssen, um das ewige Leben zu erlangen.
Was Jesus hier dem Thomas und dessen Mitaposteln sagte, ist auch
uns, ist allen Christen gesagt. Jesus ist unser Mittler, unser Lehrer
und der Urheber unserer Seligkeit. Niemand kann zur ewigen Selig-
keit gelangen, außer durch treue Anhänglichkeit an Jesum, und durch
die genaue Befolgung seiner Lehre. Danken wir's dem wißbegierigen
Thomas, daß er durch seine Frage diese schöne und bestimmte Er-
klärung des göttlichen Heilandes veranlaßt hat. Trachten wir, wie
dieser Apostel, in der Erkenntniß der beseligenden Lehren des Christen:
thums immer vollkommener zu werden, und scheuen wir uns nicht,
unsere Zweifel in Religions: und Heilssachcn den Einsichtsvolleren,
besonders unsern Seelsorgern, offenherzig vorzutragen, um nicht im
Finstern zu irren, sondern den wahren Weg des Heils zu finden.
Obwohl Thomas seine Mitapostel aufmunterte, mit Jesu nach
Bethanien zu gehen, und mit ihm zu sterben, so war er doch her-
nach, als das Leiden des Erlösers anfing, gleich den Uebrigen so
furchtsam, seinen Lehrmeister zu verlassen, und die Flucht zu nehmen.
Sein Beispiel, überzeugt uns auf ein Neues, wie wenig sich der
Mensch auf seine noch so fest gemachten Vorsätze verlassen könne;
wie wachsam er beständig auf sich und seine Neigungen seyn müsse,
um nicht zu fallen, und wie unablässig er um die göttliche Gnade
flehen solle, weil er nur von dieser unterstützt, im Guten festzustehen
vermag. Durch den Kreuzestod Jesu wurde Thomas so bestürzt und
niedergeschlagen, daß er die Auferstehung desselben von dem Tode
gar nicht glauben wollte, obwohl ihn die andern Apostel alle ver-
sicherten, sie hätten oen Neulcbcndigcn selbst gesehen. Er war noch
nicht von dem heiligen Geiste erleuchtet, und hoffte daher noch auf
ein weltliches Reich, welches Christus errichten würde, und an wel-
chem die Apostel Theil nehmen sollen; er hoffte, Jesum auf dem
Throne, nicht aber am Kreuze zu sehen. Mit dem Tode Jesu
waren nun seine Hoffnungen und Erwartungen auf einmal zu Boden
geschlagen, und die Nachricht von der Auferstehung des Herrn kam
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen