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Am 24. Februar. 127
seinen Meister in der kommenden Nacht in ihre Hände zu überliefern.
Er führte die Verrätherei wirklich aus, und zum Zeichen des Ver-
rathcs mißbrauchte er das Zeichen der zärtlichsten Freundschaft, den
Kuß. Auch der letzte warnende Blick und die liebevolle Warnung
des göttlichen Lehrers: „Freund, wozu bist du gekommen? O Ju-
das, mit einem Kusse verräthst du den Menschensohn!" war nicht
im Stande, das Herz des Verstockten zu rühren; er überließ den
verrathenen Messias den Händen der Feinde, und freute sich des
schändlichen Soldes, den er für seine schwarze That erhalten hatte.
Nie tief doch der Mensch fallen kann, wenn er eine einzige
sündhafte Neigung in sich aufkommen, einwurzeln, und herrschend
werden läßt! Läßt er sich von einer bösen Neigung beherrschen, so
wird sein Verstand verfinstert, sein Herz verkehrt, und in der Ver-
blendung seines Verstandes und in der Verkehrtheit seines Herzens
geräth er Schritt für Schritt von einer Thorheit zur andern, von
einem Laster zum andern, und endlich in's gänzliche Verderben.
Der Unglückliche haßte seinen Meister nicht, er konnte selbst in
seinem verkehrten Herzen das Zeugniß der Unschuld demselben nicht
versagen. Nicht Abneigung, sondern nur die unselige Geldgier hatte
ihn zu der schändlichen Treulosigkeit verleitet. Er hatte nur das
Geld vor seinen Augen, und dachte nicht an die schrecklichen Folgen,
die seine Uebelthat für Jesus haben würde, vielmehr dachte er, daß
sich der überlieferte Meister (so sehr war er von der göttlichen Macht
desselben überzeugt), zuverläßig selbst wieder aus den Händen seiner
Feinde retten werde. Als er daher sah, daß Jesus zum Tode ver-
urthcilt wurde, bereuete er seine schwarze That. Von Reue und
Schmerz ganz außer sich, machte er sich auf, Jesum, wo möglich,
noch zu retten. Er trug die dreißig Silberlinge den hohen Priestern
wieder hin, und rief mit lauter, herzdurchdringender Stimme: „Ich
habe gesündiget! Ich habe unschuldiges Blut verrathen!!" — So
böse Judas war, so hatte er doch noch viel Gutes. Mancher ver-
abscheut ihn; ist vielleicht aber noch schlimmer als er; denn wer
seine Sünde nicht cinbekennt, nicht das ungerechte Gut bis auf den
letzten Heller anheimstellt, der verläumdetcn Unschuld die geraubte
Ehre nicht wieder zurückgibt, ist offenbar schlimmer als Judas. —
Die hohen Priester erwiederten auf das reumüthige Bekenntniß des
Judas ganz kaltblütig: „Was geht das uns an? Da sieh du zu!"
Auf diese Worte warf Judas, blaß und zitternd vor Entsetzen, das
Geld hin in den Tempel, lief verzweifelnd davon, nahm einen Strick
und erhenktc sich; sein Leichnam wurde von einem Felsen hcrabge:
stürzt. So stürzte den bedauerungswürdigcn Apostel selbst seine Reue
in das Verderben, weil er kein Vertrauen zu Jesus, dem göttlichen
Eündenfrcunde, hatte. Die Sünde gleicht einer schmerzlichen Wunde.
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen