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Am 26. Jänner. 219
zu ihnen: „Ich werde nicht thun, was ihr mir rathet." Da eö
ihnen nicht gelang, ihn zu überreden, so fuhren sie ihn mit harten
Worten an, und stürzten ihn eilig aus dem Wagen, so, daß er sich
das Schienbein verletzte. Er aber wurde darüber gar nicht bestürzt,
ging so munter einher, als wenn er nichts gelitten hätte, und wurde
zum 'Amphitheater geführt, in welchem aber ein solches Getöse war,
daß man Niemanden hören konnte. Als Polykarpus hinein trat,
erscholl die Stimme vom Himmel: „Sey stark, und ermanne dich,
Polykarpus!" Den Redenden sah Keiner, die Stimme aber hörten
diejenigen von uns, die zugegen waren. Da er herbeigeführt ward,
und man erfuhr, daß er ergriffen worden, entstand ein lautes Ge-
tümmel. Er wurde dem Statthalter vorgestellt, der ihn fragte:
„Ob er Polykarpus sey?" Als er es bejahte, redete jener ihm zu,
daß er Christum verläugnen solle, und ermähnte ihn, seines hohen
Alters zu schonen. Er sagte ihm dergleichen mehr, wie sie es zu
thun pflegen, als: „Schwöre bei dem Glücke des Kaisers! Besinne
dich! Sprich: Fort mit den Gottlosen!" Mit ernstem Angcsichte
schaute Polykarpus auf den ganzen Haufen der ungerechten Heiden
umher, streckte die Hand nach ihnen aus, seufzte, schaute gen Him-
mel empor, und sprach: „Fort, mit den Gottlosen!" Da drang
der Statthalter in ihn, und sagte: „Schwöre, so spreche ich dich
frei! Lästere Christum!" Polykarpus antwortete: „Sechs und
achtzig Jahre diene ich ihm, und er hat mir nie ein Leid angethan!
Wie kann ich meinen König lästern, der mich errettet hat?" Aber-
mal redete der Statthalter ihm zu, und sprach: „Schwöre bei der
Glücksgöttin des Kaisers!" Der heilige Bekenner antwortete: „Hast
du deinen Sinn darauf gesetzt, daß ich schwören soll bei der Glücks-
göttin des Kaisers, und stellest du dich, als wissest du nicht, wer
ich sey, so höre öffentlich: Ich bin ein Christ! Willst du die Leh-
ren des Christenthums kennen, so bestimme einen Tag, und höre
mich." Der Statthalter sprach: „Ueberrede das Volk dazu." Po-
lykarp erwiederte: „Mit dir zu reden, bin ich bereit; denn wir sind
belehrt worden, den Obrigkeiten und Gewalthabern, welche von Gott
geordnet worden, jene geziemende Ehre zu erweisen, die unser Ge-
wissen nicht verletzet. Diese hier aber achte ich nicht werth, daß ich
mich vor ihnen vertheidige!" „Ich habe aber wilde Thiere," sagte
der Statthalter, „diesen lasse ich dich vorwerfen, wenn du dich nicht
eines Bessern besinnest!" „Lasse sie kommen," antwortete Polykar-
pus , „unser Sinn geht nicht vom Bessern zum Schlechtem über.
Vom Bösen zum Guten sich wenden, das halten wir für schön."
Darauf sprach der Statthalter: „Wenn du die Thiere verachtest, so
werde ich dich verbrennen lassen, wofern du deinen Sinn nicht an-
drohest," antwortete Polykarp, „mit dem Feuer,
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen