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Am 11. September. 719
umsehen dürfe. Der ehrwürdige Greis warf sich zu seinen Füßen,
und bat ihn unter häufigen Thränen, daß er doch nicht, wie die
Hunde, zu dem Ausgespieenen zurückkehren sollte. Allein Malchus
blieb fest auf seinem Entschlüsse. Trauernd, als begleite er eine
Leiche, führte der Abt ihn aus der Einsiedelei, und entließ ihn mit
den Worten: „Sobald das Schaf die Hürde verläßt, ist es dem
Wolf Preis gegeben."
Um vor den herumstreifenden Saracenen desto sicherer zu seyn,
reiste er in Gesellschaft (Karavane) von etwa siebenzig Personen,
Männern, Frauen, Greisen und Kindern, welche nach Edessa wan<
derten. Unterwegs wurden sie von Saracenen angefallen. Malchus
wurde gefangen, durch Tage lange Wüsten fortgeschleppt, während
dessen rohes Fleisch seine Nahrung, und Kameelmilch sein Getränke
war. Endlich ward ein großer Fluß übersetzt. Man gelangte in
die innere Wildniß, und hier ward er als Schäfer von seinem Gel
bieter angestellt. Diese stille Lebensweise, bci welcher er mehrmals
mit der Heerde allein war, war ihm erträglich. Er erinnerte sich
an Moses und an Jakob, die auch einst Heerden weideten, und
diese Erinnerung verschaffte seinem Gemüthe große Beruhigung.
Er bethete fast immer und sang Psalmen, die er von den Einsied:
lern erlernt hatte. Seine Nahrung war Käse und Milch von der
Heerde. Dankbar pries er Gott, daß Er ihn, da er der Einsiede?
lei entlaufen war, in die Wüste geführt habe.
Unter seiner treuen Pflege gedieh die Heerde sehr gut. Aber
gerade dieser Umstand bereitete ihm eine schwere Prüfung. Sein
Herr wollte sich seiner versichern und ihn deßwegen mit einer Per»
son verheirathen, die zugleich gefangen worden, und deren Ehemann
noch lebte. Umsonst stellte Malchus ihm vor, daß er, als ein
Christ, die Ehefrau eines Andern nicht heirathen dürfe. Sein Herr
zwang ihn unter Todcsdrohung, die Magd mit sich in eine Höhle
zu nehmen, welche Beiden zur Wohnung bestimmt war. Als er
mit ihr dort war, warf er sich jammernd auf die Erde, und be-
weinte seine Entfernung aus der Einsiedelei. Weheklagend rief er
aus: »Ist's mit mir Elenden so weit gekommen? Hat mich meine
Verirrung endlich dahin gebracht, daß ich die jungfräuliche Reinig:
keit, die ich bis daher bewahrt habe, jetzt noch, da schon die grauen
Haare mein Haupt zu bedecken anfangen, verlieren soll? Was
hilfts mir jetzt, meine Eltern, mein Vaterland, meine Heimath um
des Herrn willen verlassen zu haben, wenn ich nun noch zu dem
mich bestimme, wegen dessen ich sie verlassen habe. Gewiß stehe ich
jetzt deßwegen in so schwerem Kampfe, weil ich nach Hause wieder
zurückkehren wollte." Schon begann er im Uebermaße des Jam-
mers sich der Verzweiflung zu überlassen; fast schon war cr im Be-
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen