Seite - 786 - in Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres - Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
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786 Die heilige Maria, Büßerin.
Es war bei den Mönchen dieses Klosters Gewohnheit, nach
dem ersten Sonntage in der Fasten über den Jordan zu gehen, und
sich die Fastenzeit hindurch, bis zum Palmsonntag, allda in der
Wüste aufzuhalten. Jeder lebte abgesondert von dem Andern, und
alle widmeten sich der strengsten Abtödtung, der Betrachtung und
dem Gebethe; Gott allein sollte aber der Zeuge der gottseligen Ue-
bungen eines jeden seyn. Der Auszug aus dem Kloster in die Wüste
geschah unter feierlichem Psalmgcsang. Einige trugen wenige Lebens-
mitte! mit sich, andere lebten einzig von den Kräutern und Wurzeln,
die ihnen die Wüste darbot. In der Wüste angekommen, zerstreu-
ten sie sich, der eine da, der andere dorthin, und wenn sie sich von
ungefähr begegneten, wichen sie einander aus. Die feierliche Stille
der Einsamkeit wurde nur bald da, bald dort durch den Psalmge-
sang der Einzelnen unterbrochen. Am Palmsonntage kehrten sie in
das Kloster wieder zurück. Keiner offenbarte dem andern, was er
in der Wüste gethan habe. Dieß sollte Gott allein bekannt bleiben,
damit nicht dmch Menschenlob die Werke ihrer Gottseligkeit besteckt
würden.
Zosimas zog mit den andern Mönchen übcr den Jordan, und
drang immer tiefer in die Wüste hinein, in der Hoffnung da einen
noch vollkommnern Einsiedler zu finden. Eines Tages schwebte sei-
nen Augen in der Ferne eine menschliche Gestalt vor. Anfänglich
glaubte er, daß es eine arge Verblendung sey, und er machte das
Krcuzzcichen. Da er aber näher kam, sah er eine von der Sonnen:
Hitze ganz schwarz gebrannte, und mit weißen Haaren bedeckte Per-
son, welche vor ihm floh. Er eilte ihr nach, in der Meinung, daß
es ein Einsiedler sey, und bat, als er ihr etwas näher gekommen
war, von weitem schon, und unter Thränen um den Segen. Als
sie weiter nicht mehr entfliehen konnte, rief sie ihm zu: „Zosimas,
ich bin eine Weibsperson, wirf mir deinen Mantel zu, mich zu be-
decken , dann werde ich zu dir kommen, und von dir den Segen
empfangen/' Zosimas ward sehr betroffen, als er seinen Namen
aussprechen hörte, von einer Person, die er, und die ihn nie gesehen
hatte. Sein Staunen ward noch größer, als sie ihm sagte, daß er
Priester sey, was sie nur durch eine höhere Eingebung wissen konnte.
Er zweifelte nicht, dieser Vorfall sey von Gott veranlaßt, warf ihr
den Mantel zu, und bat sie um den Segen, den sie aber im Ge-
gentheil von ihm verlangte. Sie rief aus: „Gelobt sey Gott, der
väterlich für das Heil der Menschen sorgt." Zosimas sprach:
„Amen," und bat sie im Namen Jesu Christi, sich zu erklären.
Sie wandte ihr Gesicht gegen Sonnenaufgang, streckte ihre Hände
aus, erhob die Augen gen Himmel, und blieb eine längere Zeit in
stillem Gebethe vertieft, dann sprach sie endlich: „Ich möchte vor
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen