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824 Die heilige Tharsilla und Aemiliana, Jungfrauen.
jungfräulicher Reinigkeit geweihten Lebens abgelegt. Sie lebten nn
eigenen Hause nach klösterlicher Regel. Durch diese Lebensweise
ward die Liebe zum Schöpfer bei Tharsilla und Aemiliana von Tag
zu Tag inniger. Nur noch mit dem Körper waren sie auf dieser
Erde, ihr Geist war fast immer in Betrachtung des Ewigen ver-
senkt. Das Gegentheil aber erfolgte bei Gordiana. Ihr Gemüth
fing an zu erkalten in der heiligen Liebe, und sich hinzuneigen zum
Wohlgefallen am Irdischen. Oft sprach Tharsilla seufzend zur
Schwester Acmiliana: „Ich sehe, daß unsere Schwester Gordiana
unser Loos verlassen werde, denn ich bemerke, daß sie sich gerne
auswärts zerstreut, und das Herz zur Bewahrung ihres Gelübdes
nicht gehörig bewacht." Beide Schwestern bemühten sich, durch
tägliches Zureden sie von dem zerstreuenden Leichtsinne zurück zu
halten, und zu dem standesgemäßen Eifer zu bewegen. Gordiana
heuchelte, wenn die Schwestern ihr zuredeten, großen Ernst, der
aber in der nämlichen Stunde wieder verschwand, indem sie dem
vorigen Leichtsinne sich überließ. Sie machte Gemeinschaft mit Welt-
töchtern, und der Umgang mit denen, die der Welt sich entzogen
hatten, ward ihr immer lästiger. In einer Nacht ist meiner Base,
der Tharsilla, die durch anhaltendes Gebeth, durch strenge Abtöd-
tung, durch die unbefleckte Reinigkeit, durch den Eifer eines voll-
kommenen heiligen Wandels ihre Schwestern übertraf, wie sie selbst
erzählt, in einem Gesichte ihr Urgroßoheim, der heilige Felix, wel-
cher Bischof dieser römischen Kirche war, erschienen, hat ihr di«
Wohnung der ewigen Herrlichkeit gezeigt, und gesprochen: „Komm!
ich nehme dich in diese Wohnung auf." Bald darauf ward sie von
einem Fieber befallen, welches die nahe Todesgefahr drohte. Nach
der gewöhnlichen Sitte, daß bei Sierbenden, zumal wenn sie vor-
nehmen Standes sind, sich viele Menschen versammeln, die Anver-
wandten derselben zu trösten, standen Männer und Weiber um das
Sterbebette der Tharsilla, unter denen auch meine Mutter war. Auf
einmal öffnete Tharsilla ihre Augen und blickte aufwärts. Da sah
sie Jesum herabkommen, ward heftig bewegt, und rief den Umste-
henden zu: „Tretet zurück, tretet zurück, Jesus kommt!" Sie hielt
ihren Blick fest geheftet auf den Heiland und verschied. Der Ort
war mit dem lieblichsten Wohigeruche erfüllt, zum Beweise der Ge-
genwart Dessen, welcher die Quelle aller Lieblichkeit ist. Als der
Leichnam, wie es gebrauchlich war, gewaschen wurde, fand man an
den Knieen und an den Ellenbogen desselben Schwielen, groß und
hart, wie die Schwielen der Kamecle. Sie waren eine Folge ihres
anhaltenden Gebethes, in dem sie vor Gott lag, und so zeigte das
todte Fleisch die Spuren dessen, mit was sich der lebendige Geist
beständig beschäftigt hatte.
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen