Seite - (000040) - in Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres - Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 2

36 Der heilige Wcndelinus, ein Hirt. darauf in dem Herrn fromm und selig. Sein Tod wird in daö Jahr 560 gesetzt. Von seinem Begräbnisse wird Folgendes erzählt: Vor seinem Tode bat er seine Brüder, sie möchten seine Leiche nicht in die Ab- tengruft legen, welcher Ehre er sich unwürdig hielt. Sie legten da- her die irdischen Ueberbleibsel des Seligen auf einen Wagen, und spannten ein Paar Ochsen, die noch nie im Joche waren, daran. Diese führten ihn sieben Stunden weit auf einen Berg, wo er als Hirte sehr oft und gerne verweilt, und wo er seine seligsten Stunden im nähern Umgänge mit Gott verlebt hatte. Da standen sie still, und da begrub man auch die Leiche, und baute über das Grab ein Kirch- lein, zu welchem aus der ganzen Umgegend eine Menge Leute kamen, um dem Heiligen ihre Verehrung und ihr Vertrauen zu bezeigen, welches nicht folgenlos blieb; denn oft zeigte sich Gott daselbst wun- derbar in seinem Heiligen. An dem heiligen Wendelinus haben alle Menschen ein schönes Vorbild großer Selbstverleugnung, und der Verachtung der Welt; insbesondere aber haben an demselben diejenigen, welche sich dem Hirtcnstande nach ihren Verhältnissen widmen müssen, oder freiwillig widmen, ein vortreffliches Tugendmustcr. Diese sollen im Hinblicke auf den Heiligen, den sie als ihren vorzüglichen Patron zu verehren pflegen, nachstehende Lehren recht oft beherzigen: 1) Laß dir die Beschäftigung des Hirtenstandes nicht zu niedrig seyn, kein Stand entehrt, wenn man nur seine Pflichten thut. Vor Gott ist jeder Stand gleich. Sey demüthig, so bist du von Gott hoch genug geachtet, und auch von jedem edlen Menschen. 2) Wähle diesen Stand nicht, weil er viele müssige Stunden zu haben scheint! Das wäre eine schlechte Absicht, welche dir un- möglich den Segen Gottes bringen könnte. Nöthigen dich aber deine Umstände zu dieser Beschäftigung, so vermeide dabei den Müssiggang; er ist ja aller Laster Anfang! 3) Wende allen Fleiß, alle Sorge und Wachsamkeit an für deine anvertraute Hcerde! Thue nur allzeit und überall deine Schul- digkeit , so wirst du auch beim Vichhüten wenig Zeit zum Muffig- gange finden. Der Fleißige macht sich immer eine Arbeit. Hast du keine andere Beschäftigung, so lese in einem guten Buche, oder bethe. 4) Schau' mit Sorgfalt stets auf deine Heerdc! Ein Hirt muß gleichsam hundert Augen und Ohren haben. Ueberlasse sie nie sorglos dem Zufalle, ob, und wo sie weide! Jedes einzelne Stück derselben sey dir so angelegen, wie die ganze Heerde. Halte Ord- nung im Aus- und Eintreiben, im Abwechseln guter und gesunder Weide! Sorge, daß nicht einzelne Stücke, oder die ganze Heerde