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448 Die heilige I tha, Gräfin von Toggenburg.
An einem schonen Frühlingstage setzte sie ihre reichen Kleider
und ihre Kostbarkeiten in einem Zimmer des Schlosses der reinen
Morgenluft und den erfrischenden Sonnenstrahlen aus. Die Kost-
barkeiten legte sie unter ein offenes Fenster, und unter dasselbe auch
den Ehering, den sie von Heinrich erhalten hatte, und den sie jetzt
mit schmerzlicher Nehmuth betrachtete. Ein Rabe, angelockt durch
den blendenden Glanz, stahl im Vorbeifliegen diesen Ring weg,
trug ihn in den seitwärts des Schlosses gelegenen Wald, der Ra-
benstein genannt, und verbarg ihn in der Tiefe des Nestes, das er
auf einer hohen Tanne hatte. Als Itha die Kostbarkeiten wieder
verwahren wollte, bemerkte sie den Verlust des Ringes. Große
Angst und Sorge bemächtigte sich ihres schuldlosen Herzens. Da
sie sich die Sache gar nicht zu erklären wußte, so fürchtete sie, die
Bekanntmachung dieses so schmerzlichen Verlustes möchte zu noch
mehr Argwohn und Leiden Anlaß geben. Sie schwieg also, be-
fahl diese ihre Herzensangelegenheit, wie alle andern, ihrem Gott
im herzlichen Gebethe und überließ sich vollkommen seiner väterlichen
Leitung.
Bald nachher, als Itha ihren Ehering verloren hatte, ging
der Knappe Kuno in den Rabenstcincrwald, um zu jagen. Da er-
blickte er ein Rabenncst auf einer hohen Tanne. Er wünschte, die
jungen Raben zu erhalten, und kletterte deßhalb hinauf. In der
Tiefe des Nestes fand er einen schönen, mit reichen Steinen besetz-
ten Ring, dessen Werth er nicht zu schätzen wußte. Diesen steckte
er an seinen Finger, ohne vermuthen zu können, welche fürchterliche
Folgen dieses scheinbare Glück nach sich yehe. Dominiko sah den
Ring an Kunos Finger, und erkannte an demselben sogleich den
Ehering der Gräfin, was er aber dem Kuno, der ihm treuherzig
sagte, wie er zu demselben gekommen sey, freilich nicht entdeckte.
Vielmehr eilte er zu dem Grafen, verbarg die höllische Freude sei-
nes Herzens, stellte sich sehr bekümmert, und entdeckte ihm, was er
gesehen; verschwieg aber, wo der Ring gefunden worden sey. Der
Graf staunte, und zweifelte, weil er seine Gemahlin so großer Bos-
heit nicht fähig hielt. Der unschuldige Kuno wurde herbeigerufen,
und zeigte ohne Bedenken den Ring. Der Graf erkannte den Ehe-
ring seiner Gemahlin, gerieth in Wuth, schmähte fürchterlich feinen
getreuen Knappen, nannte ihn einen Ehebrecher, hörte nicht dessen
Verantwortung, und auch nicht desselben Bitten und Flehen; son-
dern gab den Befehl, daß man auf der Stelle ihn dem wildesten
Pferde an den Schweif binde, und über den Schloßfelsen hinunter
zu todt schleifen lasse. Der grausame Befehl wurde vollzogen.
Und nun eilte Heinrich, getrieben von blinder Wuth zu seiner Ge-
mahlin, die um Alles, was vorgegangen war, noch nichts wußte.
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 2
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 2
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 982
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen